Kündigungen unwirksam +++ HK geht in Berufung +++ aktualisiert
OBERNDORF/VILLINGEN-SCHWENNINGEN, 15. Januar (him) - Die beiden Mitarbeiter von Heckler & Koch (HK), die der Waffenhersteller im April vergangenen Jahres fristlos entlassen hatte, müssen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu den bisherigen Bedingungen als Sachbearbeiterin und Bereichsleiter Export weiter beschäftigt werden. Das hat ein Arbeitsgericht in Villingen-Schwenningen am Mittwoch entschieden. Hintergrund ist der Verkauf von fast 8000 HK G 36-Gewehren nach Mexiko, von denen illegal ein Gutteil in vier Unruheprovinzen gelangt sein sollen.
[Foto] Arbeitsrichter Matthias Mohn bei der Urteilsverkündung in Villingen-Schwenningen. Foto: him
Der Fall hatte für bundesweites Aufsehen gesorgt, weil die HK-Geschäftsleitung per Aushang der Belegschaft mitgeteilt hatte, zwei Mitarbeiter seien für die mutmaßlich illegalen Waffenexporte in vier mexikanische Unruheprovinzen verantwortlich.
Man werde sich deshalb von diesen beiden Mitarbeitern trennen. Sie hätten »eigenmächtig« und »ohne Wissen und Wollen anderer Personen im Unternehmen« gehandelt. Die NRWZ hatte diesen Aushang als erstes Medium veröffentlicht. Seit 2010 ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart nun in diesem Fall »gegen zwei plus X«- Personen, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Claudia Krauth betont.
Die beiden fristlos Entlassenen hatten sich gegen ihre Kündigungen gewehrt. Sie hätten stets mit Wissen und Billigung ihrer Vorgesetzten gehandelt. Nach Ansicht des Gerichtes waren sowohl die außerordentlichen Kündigungen vom 30. April als auch die ordentlichen Kündigungen vom 21. Mai 2013 nicht gerechtfertigt. Deshalb sei das Unternehmen auch zur Weiterbeschäftigung verpflichtet und müsse die Kosten des Verfahrens tragen.
Ein Einigungsversuch zwischen den Anwälten des beklagten Unternehmens und der beiden Kläger war vergeblich geblieben.
Die Kammer unter Vorsitz von Richter Matthias Mohn war nun der Ansicht, dass ein Kündigungsgrund nicht vorgelegen habe. Bevor der Arbeitgeber eine »Verdachtskündigung« ausspreche, müsse er »den Sachverhalt aufklären und den Arbeitnehmer zu den ermittelten Vorwürfen anhören.« Der beschuldigte Arbeitnehmer solle so Gelegenheit haben, zu dem Verdacht Stellung zu nehmen und diesen ausräumen können. Beides sei »nach der festen Überzeugung des Gerichts nicht hinreichend« geschehen.
Auch seien beide Mitarbeiter nicht zuvor abgemahnt worden. Ob eine Pflichtverletzung der beiden tatsächlich vorliege, »konnte die Kammer dahinstehen lassen.«
In einer ersten Stellungnahme erklärt HK, man nehme zur Kenntnis, dass das Arbeitsgericht die im Prozess dargelegten Tatsachen nicht für ausreichend erachte, um Verdachtskündigungen gegen die Kläger auszusprechen. »Aufgrund des Verlaufs der mündlichen Verhandlung hat uns das Urteil nicht erstaunt.« HK werde das Urteil selbstverständlich gründlich prüfen, gehe aber davon aus, »in beiden Fällen Berufung beim Landesarbeitsgericht Stuttgart einzulegen.«
Bei der Arbeitsgerichtsverhandlung Anfang Dezember hatten die Anwälte sowohl von der HK-Geschäftsleitung, als auch der beiden Entlassenen umfangreich aus bisher streng vertraulichen internen Schriftwechseln und Protokollen zitiert.
Nach gut zwei Stunden Verhandlung hatte Richter Mohn die beiden Parteien gefragt, ob es nicht doch die Möglichkeit einer außergerichtlichen Klärung gebe. Als beide Seiten zustimmten, räumte er eine Frist bis 15. Januar ein. Eine Einigung allerdings war nicht zustande gekommen.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat bereits angekündigt, sie werde die Akten des Arbeitsgerichtes anfordern, sobald das Verfahren dort abgeschlossen ist.
Für Rüstungskritiker Jürgen Grässlin, der mit einer Anzeige wegen des Mexiko-Geschäftes den ganzen Fall ins Rollen gebracht hatte, hat das Unternehmen Heckler und Koch »auf der ganzen Linie verloren.« Die Strategie der zwei Bauernopfer sei gescheitert. Er erwarte eine schnelle Anklageerhebung, so Grässlin zur NRWZ, die Beweislage sei nach dem Arbeitsgerichtsverfahren eindeutig. Nun müsse die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Unternehmensführung ins Visier nehmen, »denn der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf.«
Die laut Arbeitsgericht zu Unrecht gefeuerte Sachbearbeiterin von HK hat sich am späten Abend bei der NRWZ gemeldet, unser Bericht über den Prozess und das Urteil sei ok. Sie sei gerade erst vom Feiern gekommen. Da sie derzeit noch krank geschrieben sei, werde sie nicht sofort wieder arbeiten gehen. »Ich werde mich mit meinem Anwalt beraten und den Tag erst mal vorüber gehen lassen.«
15.01.2014, 14:07:27 Uhr