Arbeitsgericht
Von Lothar Häring
Wegen illegaler Waffenexporte hat Heckler & Koch zwei Mitarbeitern gekündigt. Die wehren sich nun vor dem Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen in einem aufschlussreichen Prozess.
[Foto G36]
Nachbau eines Heckler & Koch-Gewehrs Foto: ddp
Vordergründig hat das Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen am Dienstag die Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen des Oberndorfer Waffenherstellers Heckler & Koch gegen zwei Mitarbeiter verhandelt. Genau genommen aber ging es um illegale Waffenexporte in Krisengebiete. Dabei bekam die Öffentlichkeit Einblicke in die Praktiken dieses Geschäfts. Ein Urteil gab es nicht.
Richter Matthias Mohn und die beiden Laienrichter mussten sich den Weg in den überfüllten Gerichtsraum bahnen. Auf ihrer Tagesordnung stand ein Vorfall, der sich am 30. April dieses Jahres in der Zentrale des Waffenherstellers Heckler & Koch in Oberndorf ereignet hatte. Da wurden A. H. und M. B., beide seit mehr als 30 Jahren im Betrieb beschäftigt, fristlos gekündigt. Den Grund konnte jeder per Aushang am Schwarzen Brett erfahren: Nach »einer internen Sonderuntersuchung« bestehe »der dringende Tatverdacht gegen die beiden Mitarbeiter, Waffenlieferungen in nicht genehmigungsfähige mexikanische Bundesstaaten veranlasst zu haben«.
Das war eine neue Dimension im Hause Heckler & Koch. Auslöser war eine Anzeige des Freiburger Rüstungsgegners und Friedensaktivisten Jürgen Grässlin aus dem Jahr 2010 gegen Heckler & Koch. Danach habe das Unternehmen illegal 9652 Sturmgewehre der Marke G 36 nach Mexiko geliefert, davon 4800 in die Unruheprovinzen Chiapas, Chihuahua, Guerrero und Jalisco, wo Drogenkrieg und Korruption herrschen. Gesamtwert der Lieferung: 13 Millionen Euro.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitete Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz ein. Nach mehreren Hausdurchsuchungen erhärteten sich im April 2013 Hinweise, dass es zu einer Anklage gegen den Waffenkonzern kommen würde, die Geschäftsführung sah sich zum Handeln gezwungen. »Die brauchten Sündenböcke«, sagte Grässlin am Rande der Verhandlung am Dienstag.
A. H. war als Teambereichsleiter für zahlreiche Länder von Kanada bis Asien zuständig, er hatte Handlungsvollmacht, zeitweise sogar Prokura. M. B. arbeitete seit 1981 als Sachbearbeiterin im Vertrieb. Ihre Anwälte bestritten vehement, ihre Mandanten hätten die Exporte eigenmächtig initiiert. Noch vehementer trat Friedrich Teigelköter, Anwalt von Heckler & Koch, auf. Er hielt die Beschuldigungen aufrecht.
Richter Mohn ließ sich auch durch immer neue Einwände von Teigelköter nicht davon abhalten, gezielt nachzufragen und Zweifel anzumelden, ob die Geschäftsführung wirklich keine Ahnung hatte, was mit ihren Waffen in Mexiko lief. Dabei kamen aufschlussreiche Erkenntnisse zutage: Zum Beispiel hat Heckler & Koch nie im mexikanischen Verteidigungsministerium nach dem Verbleib der Waffen gefragt. Dokumente für die Genehmigung der Waffenlieferungen wurden offensichtlich gezielt so nachbearbeitet, dass die deutschen Behörden in Berlin ihre Zustimmung erteilen konnten (siehe Hintergrund).
Was den Fall vor dem Arbeitsgericht angeht, so haben beide Parteien bis zum 15. Januar die Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen. Die beiden gekündigten Mitarbeiter müssen bei allen Aussagen stets bedenken, ob sie sich durch Aussagen im Arbeitsgerichtsverfahren möglicherweise selbst in dem Strafverfahren belasten, in dem sie als Beschuldigte schweigen dürfen. Denn die Ermittlungen im Strafverfahren, das sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft »gegen mehr als zwei Personen« richtet, läuft weiter. Jürgen Grässlin rechnet damit, dass es im Frühsommer des kommenden Jahres zu einem Prozess kommt.
http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/suedwest/heckler-und-koch-zwei-suendenboecke-vor-gericht