Remszeitung.de vom 20.01.2014
Jürgen Grässlin, der am Freitag in der Gmünder Volkshochschule zu Gast war, ist Pädagoge und einer der profiliertesten Rüstungsgegner Deutschlands. Für sein Engagement wurde er im Jahr 2011 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Der Vortrag in Gmünd vor 90 interessierten Zuhörern war auf das neueste Werk Grässlins, das »Schwarzbuch Waffenhandel«, aufgebaut und stellte in eindrucksvollen Zahlen vor, wie auch in Deutschland an den Kriegen verdient wird, aber auch durch Lieferungen an Staaten, die Menschenrechte mit Füßen treten.
SCHWÄBISCH GMÜND. »Stellen Sie sich einen Staat vor, der Christen verfolgt, die Scharia gnadenlos umsetzt und vollstreckt, der Homosexuelle umbringen lässt. Nein, es ist kein Staat der ,Achse des Bösen', es ist der umworbene und befreundete Staat Saudi-Arabien«, so Jürgen Grässlin zu einem Land, das als sehr guter Kunde deutscher Rüstungsfirmen gilt. Saudi-Arabien, nach einer neuen Erhebung das Land nach Nordkorea mit der schlimmsten Christenverfolgung, erhält in den kommenden Jahren genehmigte Waffenlieferung in Höhe von mindestens 1,25 Milliarden Euro. Neben modernen Radpanzern sollen dies Leopard 2 Kampfpanzer der neuesten Generation und viele Kleinwaffen sein.
Unter anderem hat der Bundessicherheitsrat, ein Gremium mit neun Personen unter Vorsitz der Bundeskanzlerin auch eine Lizenzfertigung des modernen Sturmgewehres G36 der Oberndorfer Waffenschmiede Heckler&Koch genehmigt. Jürgen Grässlin zeigte anhand von Statistiken und Zahlen auf, welche Länder von offiziellen Waffenexporten profitieren, welche auch aus dem sogenannten grauen Markt. So wurden auch Sturmgewehre in Unruheprovinzen Mexikos exportiert, allerdings nicht direkt, sondern zum Beispiel über die USA. Eigentlich hätte diese Form der Waffenlieferungen die Konsequenz, dass der Lieferer, also die USA, von deutschen Waffenexporten ausgeschlossen werden müsste. »Aber wer legt sich schon mit seinem Freund, seinem engsten Verbündeten, an?, so die rhetorische Frage Grässlins.
Der Autor stellte auch die gesetzlichen Grundlagen der Waffenausfuhren, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz vor, Ausführungsgesetze auf Grundlage des Artikel 26 Grundgesetz. In verschiedenen Aktionen, unter anderem der »Aktion Aufschrei« fordern die unterstützenden 140 Organisationen eine Änderung dieses Artikels im Grundgesetz, ein Verbot des Exportes von Kriegswaffen wird angestrebt. Schwierig, und das gab auch Jürgen Grässlin zu, wird es bei der Bewertung der sogenannten »Dual-Use«-Güter, Produkte wie Schiffsmotoren, die sowohl in einem Rot-Kreuz-Lazarett Schiff Verwendung finden können wie in einem Minenleger.
Legte Grässlin in den vergangenen Publikationen den Schwerpunkt auf die Berichterstattung aus Sicht der Opfer, so stellt das neueste Werk die Firmen vor, die den Tod und das Leid in andere Länder tragen. In seinem Vortrag in der Gmünder VHS stellte der Rüstungsgegner die großen Fünf, unter anderem Krauss-Maffei-Wegmann, Diehl und Rheinmetall aber auch Heckler&Koch sowie RUD aus Aalen, die Gleisketten für Panzerfahrzeuge fertigen, vor. Bemerkenswert am gesamten Vortrag war die Erkenntnis, wie viele aktive, aber auch ehemaligen Mitarbeiter von Rüstungsfirmen sich Jürgen Grässlin anvertrauen, ihn mit streng geheimen Unterlagen und Bildern versorgen, die manche Ungereimtheiten aufdecken.
Scharf kritisierte der Autor in diesem Zusammenhang Volker Kauder, Bundestagsabgeordneter und engster Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel. »Kauder hält epische Vorträge, auch hier in Schwäbisch Gmünd, darin prangert er die Christenverfolgung auf dieser Welt an. Gleichzeitig ist er DER Lobbyist der Firma »Heckler&Koch« und unterstützt unter anderem Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien, einem der größten Christenverfolger. »Wie passt das zusammen?«, so Grässlin, nachdem er auch von einem Zuhörer darauf angesprochen wurde. »Diese Schizophrenie versteht wohl nur Herr Kauder selbst.«
Grässlin kritisierte als Pädagoge auch, dass immer noch sehr viel Geld in unsinnige Rüstungsvorhaben wie dem Airbus A 400M, in die nun auf den Boden der Tatsachen gesetzte Drohne Eurohawk oder den Eurofighter gesteckt wird, während in den sozialen Einrichtungen wie Hospize, Kliniken oder Pflegeeinrichtungen gespart werde. Er bat die Anwesenden, sich zu engagieren, nicht nachzulassen, auch Aktien der Unternehmen zu erwerben, eine Aktie reichen und an Aktionärsversammlungen teilzunehmen.
Scharf verwahrte sich Jürgen Grässlin auch gegen Vorwürfe aus der Politik und den Unternehmen, verhinderte Waffenexporte würden Arbeitsplätze vernichten. Heckler und Koch, Junghans und andere Firmen könnten mit Medizintechnik, erneuerbare Energie und andere zukunftsfähige Erzeugnisse mehr Arbeitsplätze schaffen als sie abbauen müssten, ist sich der Rüstungsgegner am Freitagabend sicher.
Jürgen Grässlin, der die Einnahmen aus seinen Publikationen in die Friedensarbeit investiert, musste noch viele Bücher signieren, viele Gespräche mit dem Autoren behandelten auch die teilweise harten Bilder, vor denen er die Gäste der nachdenklich machenden Veranstaltung nicht verschonte. »Man muss das Leid sichtbar machen, sonst nimmt man es nicht wahr. Nach einem kurzen Medienhype zieht die Katastrophenberichtskarawane weiter, die Menschen bleiben dann in ihrem Leid alleine zurück«, so Jürgen Grässlin abschließend.