Waffenverkäufe nach Indien, Singapur und andere Nicht-Nato-Staaten haben dem Waffenhersteller Heckler & Koch scharfe Kritik eingebracht. Aus Sicht von Friedensaktivisten hat das Unternehmen eine Selbstbeschränkung – die »Grüne-Länder-Strategie« – abgeschwächt, um Kasse zu machen. Dieser Kritik widersprach Vorstandschef Jens Bodo Koch am Freitag in Oberndorf.
Laut der seit 2016 gültigen Strategie macht die Firma nur noch Geschäfte mit demokratischen und nichtkorrupten Staaten der EU und der Nato, plus Neuseeland, Australien, Japan und der Schweiz. Damit wollte das Unternehmen sein Image aufpolieren und langwierige Genehmigungsverfahren vermeiden. 2018 definierte H&K die Vorgaben neu, seither gelten weitere Staaten als belieferbar.
Zu diesen Staaten gehören nach Angaben des Vorstands Indien, Indonesien, Jordanien, Oman, Malaysia, Singapur und Südkorea. Als Beispiel nannte der Manager Koch Indien: In den vergangenen Jahren bekam dort eine Spezialeinheit des Innenministeriums Präzisionsgewehre und die Polizei von Bangalore Maschinenpistolen. Dies seien langjährige Kunden. Es würden aber nicht alle Aufträge aus dem südasiatischen Staat angenommen, so Koch. »Es gibt natürlich auch in Indien Kunden, die wir nicht beliefern würden.« Chile stand nach seinen Worten auf der Zusatzliste, wurde inzwischen aber gestrichen und gilt nicht mehr als »belieferungsfähig«. Abgelehnt worden seien 2019 zudem Anfragen aus Brasilien, Thailand, Uganda, Kenia, Costa Rica und Bangladesch.
Der Anteil der »belieferungsfähigen« Gruppe, die ursprünglich keine grünen Länder »waren, machte 2019 zwar nur 0,5 Prozent des Gesamtumsatzes (239 Millionen Euro) aus. Dennoch werten Friedensaktivisten wie Jürgen Grässlin dieses Neugeschäft als Wortbruch. Die Strategie sei grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, nun werde sie aber »durchlöchert wie ein Schweizer Käse«, kritisierte Grässlin. Vorstandschef Jens Bodo Koch sagte hingegen, die Strategie sei weiterhin gültig, man habe sie aber »in ihrer Absolutheit angepasst«. Diese Anpassung sei im Einklang mit den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik erfolgt.
Die 1000-Mitarbeiter-Firma aus dem Schwarzwald zählt zu den weltweit größten Handfeuerwaffen-Herstellern. Konkurrenten sind Sig Sauer, dessen Konzernholding L&O in NRW sitzt, sowie Haenel (Thüringen), FN Herstal (Belgien) und Beretta (Italien). Von den Wettbewerbern ist nicht bekannt, dass sie ebenfalls eine Grüne-Länder-Strategie haben. Heckler & Koch stand in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik, weil Waffen des Unternehmens in Krisenregionen genutzt wurden. 2019 verurteilte das Stuttgarter Landgericht das Unternehmen zu einer Zahlung von 3,7 Millionen Euro wegen illegaler Exporte nach Mexiko, wo sie in Unruheprovinzen auftauchten.
In einem anderen Punkt kam die Firma den Friedensaktivisten entgegen. Die Überlegung, einen eigenen Fonds für Opfer von H&K-Waffen einzurichten, ist zwar vom Tisch - vor einigen Jahren hatte der damals amtierende Vorstand dies angedacht. Die aktuelle Chefetage will nun aber prüfen, ob sich die Firma an einem Fonds beteiligt, der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingerichtet worden war und dessen Mittel für die Betreuung von Kleinwaffenopfern genutzt werden. Auf die Frage, ob es zu dieser Fonds-Beteiligung kommen werde, sagte Finanzvorstand Björn Krönert: »Ich bin da zuversichtlich.« Wie viel Geld fließen soll, sagte er nicht.
Der Pazifist Grässlin zeigte sich in diesem Punkt vorsichtig optimistisch. Das wäre ein wichtiges Signal, dass sich die Firma zu schlimmen Fehlern der Vergangenheit bekenne, sagte der Bundessprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!«.