Stuttgart - In der Affäre um Graumarktgeschäfte des Daimler-Konzerns droht Vorstandschef Dieter Zetsche (55) keine Strafe mehr. »Es hat sich kein hinreichender Tatverdacht einer vorsätzlichen uneidlichen Falschaussage ergeben, der eine Anklageerhebung rechtfertigen könnte«, sagte die Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft unserer Zeitung. »Daher haben wir das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Zetsche eingestellt.« Zetsche war vorgeworfen worden, in einem Prozess gegen einen Graumarkthändler im Jahr 2002 vor dem Stuttgarter Landgericht als Zeuge die Unwahrheit gesagt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin im November 2007 Ermittlungen gegen ihn eingeleitet.
Bei Graumarktgeschäften werden Fahrzeuge am offiziellen Vertriebsnetz vorbei verkauft, um den Absatz zu steigern. Zetsche soll damals vor Gericht bestritten haben, das der Konzern in seiner Zeit als Vertriebsvorstand in den Jahren 1995 bis 1998 solche Geschäfte systematisch gefördert und toleriert habe. Der Daimler-Kritiker und Buchautor Jürgen Grässlin (51) hatte daraufhin der Staatsanwaltschaft Unterlagen vorgelegt, die diese Behauptung als Lüge entlarven sollten. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft fand für diesen Vorwurf aber trotz umfangreicher Ermittlungen keinen Beweis.
»Anhand unserer Unterlagen können wir nicht nachweisen, dass Herr Zetsche positiv Kenntnis hatte von den entsprechenden Aktivitäten oder sie billigend in Kauf genommen hat«, sagte die Sprecherin der Behörde. Mitte November hatte die Staatsanwaltschaft bereits ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Zetsche wegen einer angeblich falschen eidesstattlichen Versicherung mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt.
Gegen den früheren Mercedes-Inlandsvertriebschef Jürgen Fahr und drei weitere Beteiligte wird in dem Zusammenhang allerdings weiterhin wegen Meineids ermittelt. »Dieses Verfahren läuft getrennt und ist noch nicht abgeschlossen«, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Im Unterschied zu Zetsche waren die vier ehemaligen Daimler-Mitarbeiter damals vor Gericht vereidigt worden. Auch sie hatten eine Mitwisserschaft an den Aktivitäten des Graumarkthändlers bestritten.
Grässlins Anwalt Holger Rothbauer sagte, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten die Vorwürfe seines Mandanten bezüglich des Umfangs der Graumarktaktivitäten voll bestätigt. In der Einstellungsverfügung der Behörde sei sogar von »gesteuerten Graumarktgeschäften« die Rede. Leider habe sich die Staatsanwaltschaft nicht getraut, »den letzten Schritt zu gehen«. Es könne nicht sein, »dass alle von den Graumarktgeschäften wussten – nur der Chef nicht«. Man werde auch deshalb Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen.
Rainer Wehaus