Stuttgart. Analysten in Deutschland bewerten die Trennung von Daimler und Chrysler überwiegend positiv, kritische Aktionäre des Konzerns dagegen sprechen von einem »Schlag ins Gesicht« für die Belegschaft von Chrysler und bezweifeln die Rechtmäßigkeit des Verkaufs.
VON SABINE KLOTZBÜCHER Daimler wie einst Hersteller reiner Luxusautos, zusätzlich Lkw und Busse - darauf haben die Analysten schon lange gehofft. »Ich hätte mir vorstellen können, dass der Deal attraktiver wird«, bedauert Hans-Peter Wodniok von Fairesearch. »Daimler bleibt auf sämtlichen Finanzschulden der alten DaimlerChrysler AG sitzen.« Das werde den Gewinn zumindest in diesem Jahr noch stark belasten. Aus Sicht von Chrysler, so Wodniok, sei Cerberus der bessere Partner als der lange gehandelte Industrieinvestor Magna. Letzterer hätte eine mögliche andauernde Durststrecke von Chrysler wohl nicht länger als drei bis vier Jahre durchgehalten. An Liquidität verliere Daimler in diesem Jahr 1,15 Mrd. Euro, rechnet Georg Stürzer von der Münchener Hypovereinsbank vor. Angesichts der Chancen, die die Scheidung eröffnet, falle dies nicht so sehr ins Gewicht, meinten einige Experten. Der Kaufpreis sei nicht so hoch, wie man hätte hoffen können, gibt Frank Biller von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zu bedenken. Weil die Restrukturierungskosten für Chrysler noch getragen werden müssen, bleibe in der Summe nichts übrig für die Daimler-Kasse. Insgesamt wertet der Analyst die Trennung aber positiv. »Das Fass hat jetzt einen Boden.« Dass die künftige Daimler AG noch knapp 20 Prozent der Anteile an Chrysler hält, könne als Signal dafür gewertet werden, dass man noch an Chrysler glaube. »Wird Chrysler profitabel, profitiert auch Daimler mit seinen 20 Prozent Anteilen. Geht die Restrukturierung schief, sind die Risiken begrenzt.« Positiv überrascht hat Biller, dass die Lösung noch vor dem Sommer gekommen ist. Das Unternehmen muss keine Manager mehr ausleihen und kein Geld mehr für die Sanierung des labilen Massengeschäfts in den USA nachschießen. »Es wird ein Ruck durch das Unternehmen gehen«, erwartet Autoexperte Helmut Becker, der das renommierte Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation in München leitet. »Daimler kann sich auf das verlassen, was den Konzern einst stark gemacht hat - den Bau von Autos mit hoher Qualität.« Die Kritischen Aktionäre DaimlerChrysler (KADC) verurteilten den Verkauf für 5,5 Mrd. Euro. Unter Verweis auf ein Alternativmodell, nach dem die Chrysler-Mitarbeiter selbst für ihr Unternehmen bieten wollten, forderten sie den Aufsichtsrat des Konzerns auf, dem Abschluss des Vertrags nicht zuzustimmen. Mit Cerberus sei der Weg zu weiteren Massenentlassungen und Werkschließungen vorgezeichnet. Mittelfristig könnte Chrysler in den Bankrott geführt werden, um sich der verbleibenden Pensionslasten zu entledigen. Mit dem Mitarbeitermodell hingegen könnte das Problem der Pensionslasten über Verzichtleistungen gelöst werden. Dem Dachverband zufolge verfügen die Mitarbeiter über enorme finanzielle Rückendeckung und könnten mit einem Gebot von bis zu 6,3 Mrd. Euro deutlich über die bisher genannte Kaufsumme gehen. »Diese Option wird nicht als gleichberechtigte Möglichkeit respektiert«, erklärte KADC-Sprecherin Beate Winkler-Pedernera. »Solange nicht alle Anbieter gleichbehandelt worden sind und in gleichem Umfang alle Einsicht in alle Unterlagen erhalten haben, bezweifeln wir die Rechtmäßigkeit des Verkaufs.Stuttgart (vos) Als Daimler-Benz und Chrysler ihre Hochzeit ankündigten, gingen kritische Stimmen im allgemeinen Jubel fast unter. Aus heutiger Sicht tragen die Einwürfe mancher Skeptiker fast prophetische Züge: Am 7. Mai 1998 verkündete Daimler-Benz-Chef Jürgen Schrempp stolz: »Wir schaffen hier das weltweit führende Automobilunternehmen für das 21. Jahrhundert.« Er sollte sich irren. Schärfer war der Blick unseres Kolumnisten Joe Bauer. Der breitete sich tags darauf nicht nur über die Qualitätsanmutung der Chrysler-Autos aus, sondern fühlte sich an das Lied »Zwei alte Tanten tanzen Tango« erinnert - natürlich von Georg Kreisler (Kreisler lautet auch der Familienname des deutsch-stämmigen Walter P. Chrysler).
Fünf Tage nach der Fusionsankündigung wagte sich der damalige BMW-Chef Bernd Pischetsrieder aus der Deckung. Er betrachtete es als »unendlich schwierig«, das Image eines Massenherstellers wie Chrysler mit dem eines Top-Autoherstellers zu verbinden. Die Fusion werde die strategische Position von BMW eher verbessern. Er sollte richtig liegen - auch wenn es damals wie das beleidigte Nachtreten eines Zukurzgekommenen klang. Groß war der Jubel auf der Daimler-Benz-Hauptversammlung am 27. Mai. Nur wenige Skeptiker wie der Würzburger Wirtschaftsprofessor Ekkehard Wenger und der Schrempp-Biograf Jürgen Grässlin warnten vor den Risiken. Grässlins Einwurf, der Zusammenschluss könne mittelfristig tausende von Jobs kosten, ver- hallte fast ungehört. Dass er Recht behalten sollte, scheint ihm noch heute eine große Genugtuung zu sein. Als schlechter Verlierer wurde auch Schrempp-Vorgänger Edzard Reuter angesehen, der sich am 28. Mai - einen Tag nachdem man ihm sein Büro bei Daimler weggenommen hatte - zur Fusion äußerte: »Es ist ein großer und mutiger Schritt. Aber es bleibt eine Herkules-Aufgabe (...) Ganz allgemein zeigt meine Erfahrung, dass nicht alles, was auf dem Papier überzeugend und richtig erscheint, auch in der Praxis funktioniert.«