Zeitungsbericht »DaimlerChrysler im Graumarkt aktiv?
Sprecher der Kritischen Aktionäre des Autokonzerns
kündigt neue Enthüllungen an«
in Neues Deutschland vom 01.09.2006



DaimlerChrysler im Graumarkt aktiv?

Sprecher der Kritischen Aktionäre des Autokonzerns kündigt neue
Enthüllungen an

Von Martin Kröger

Gestern fand die erste Anhörung über eine Unterlassungsklage der DaimlerChrysler AG und ihres Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche gegen Jürgen Grässlin vor dem Landgericht Berlin statt. Der Sprecher der Kritischen Aktionäre DaimlerChrysler (KADC) hatte in einem Fernsehinterview vom vergangenen Dezember den Vorstandsvorsitzenden mit so genannten Graumarktgeschäften in Verbindung gebracht.

Der Beitrag im ARD-Kulturmagazin »Titel, Thesen, Temperamente« blieb nicht folgenlos für Jürgen Grässlin. Der Buchautor und Sprecher der Kritischen Aktionäre des Großkonzerns hatte im Dezember letzten Jahres vor laufender Kamera die Rolle von Daimler-Managern und -Händlern im Fall des von Graumarktgeschäften betroffenen Spediteurs Gerhard Schweinle kritisch hinterfragt. Und damit, so der Staranwalt von DaimlerChrysler, Christian Schertz, nahe gelegt, dass der Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche im Verfahren gegen Herbert Schweinle vor dem Stuttgarter Landgericht [.] [DR. Z IS WATCHING YOU!] haben soll. Als Reaktion hatte der multinationale Konzern eine Unterlassungsklage bezüglich dieser Aussage gegen Jürgen Grässlin verfügt.

Graumarktgeschäfte, bei denen Autos an den offiziellen Vertriebskanälen vorbei verkauft werden, sind in der Branche üblich. Sie sind nicht im juristischen Sinne illegal, stehen aber im Widerspruch zu den Konzernrichtlinien, wonach nur offizielle Händler beliefert werden dürfen.

Grässlin, der auch Autor des Buches »Das Daimler-Desaster« ist, lehnt eine Unterzeichnung der Unterlassungserklärung weiter ab. Im Gegensatz zu Grässlin war Dieter Zetsche gestern nicht persönlich erschienen.

Vor Gericht versuchte Grässlin darzustellen, worauf sich seine Ablehnung begründet: In seiner Funktion als Autor habe er für die Recherche seines Buches über die Daimler-Führungskräfte alle Protokolle des Prozesses um den Spediteur Schweinle gesichtet. Und das Ergebnis der Recherche habe nur einen Schluss zugelassen, so Grässlin: Innerhalb der Aussagen der Zeugen, zu denen auch Zetsche zählte, gebe es »extreme Diskrepanzen«. »Ich«, erklärte Grässlin, »will [.] [DR. Z IS WATCHING YOU!]« Diese Wortwahl, die er auch in der ARD verwandt habe, habe er sehr bewusst gewählt, betonte Grässlin.

Das Angebot der Daimler-Anwälte einem Vergleich zuzustimmen und derartige Erklärungen in Zukunft zu unterlassen, lehnte der Anwalt von Grässlin, Holger Rothbauer, ab. »Egal, wer diesen Prozess gewinnt, er geht auf jeden Fall in die nächste Instanz«, erklärte Rothbauer dem ND. Die Argumentation der DaimlerChrysler-Anwälte, eine [.] [DR. Z IS WATCHING YOU!], sei Unsinn. Zur Not sei man bereit, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um die Verwicklungen von Daimler-Führungskräften in Graumarktgeschäfte nachzuweisen.

Um ihre schweren Anschuldigungen zu belegen, beantragte Rothbauer die Zulassung von mehreren Zeugen, die die Verwicklungen belegen könnten. Unter ihnen der inzwischen vom Betrugsvorwurf vor dem Bundesgerichtshof freigesprochene Spediteur Gerhard Schweinle. Zudem habe sich inzwischen ein weiterer Zeuge gemeldet, erklärte Jürgen Grässlin gegenüber ND. »Der Zeuge Siegfried Finkenrath wird deutlich sagen, dass im Fall Schweinle Graumarktgeschäfte betrieben wurden.« Dem Gericht läge eine Eidesstattliche Erklärung Finkenraths hierzu vor. Aus der Erklärung werde deutlich, dass DaimlerChrysler Händler genötigt hätte, Graumarktgeschäfte zu betreiben, sagt Grässlin. Der Zeuge Finkenrath habe als Geldgeber des Auto-Händlers gedient, der Gerhard Schweinle mit Mercedes Limousinen beliefert habe.

»Herr Finkenrath wird darstellen, dass der Fall viel brisanter ist, als bisher dargestellt«, kündigte Grässlin an. Und: »Daimler begreift gar nicht, wie viel Sprengstoff in der Sache steckt.«