Zeitschriftenartikel »Ihr guter Stern auf allen Straßen?
Weiterdenken! Protestkartenaktion der DFG-VK gegen
Daimler-Streumunition« in ZivilCourage Nr. 3, Juli 2006



Ihr guter Stern auf allen Straßen? Weiterdenken!
Protestkartenaktion der DFG-VK gegen Daimler-Streumunition

Mit dem Motto »Weiterdenken!« wirbt der DaimlerChrysler- Konzern zurzeit für seine Mercedes-Luxuslimousinen. »Weiterdenken und die Daimler/EADS abrüsten!« hält die DFG-VK im Rahmen ihrer Kampagne »Schritte zur Abrüstung« dagegen und fordert den sofortigen Ausstieg des Autokonzerns aus der Rüstungsproduktion. Einen Ansatzpunkt bietet vor allem die völkerrechtswidrige Beteiligung an der Produktion von Streumunition bzw. Streumunitionswerfern durch Daimler/EADS-Beteiligungsgesellschaften.

Neben der Produktion von Kampfbombern, Militärhubschraubern und Trägersystemen für Atomwaffen ist die DaimlerChrysler AG - Deutschlands größter Rüstungskonzern - über Beteiligungen auch an der Produktion von Streumunition und Streumunitionswerfern involviert.

Im Vorfeld der Hauptversammlung 2006 stellte der DFG-VK-Bundessprecher Jürgen Grässlin als Kritischer Aktionär den Gegenantrag auf Nichtentlastung des Daimler-Vorstands wegen dessen Versäumnis, »die EADS-Anteile abzustoßen oder die Umstellung auf eine rein zivile Fertigung (Rüstungskonversion) in die Wege zu leiten«. Grässlin begründete seinen Gegenantrag und seine Rede bei der Daimler-Hauptversammlung am 12. April in Berlin vor allem mit der Verwicklung des Stuttgarter Großkonzerns in Streumunition.

Diese konnte auf der internationalen Rüstungsmesse Eurosatory in Paris dokumentiert werden. Am Stand der MBDA, an der die EADS zu 37,5 Prozent beteiligt ist, wurde der Raketenwerfer Multiple Launch Rocket System (MLRS) samt Streumunition präsentiert. Derzeit wird der Raketenwerfer MLRS optimiert. Das neue, so genannte Guided MLRS-System, wird über eine gesteigerte Reichweite verfügen, soll zielgenauer treffen und über effizientere Munition verfügen. Zudem wurde auf der Eurosatory die zukünftige Massenproduktion von MLRS-Raketen angekündigt. Ein solches System kann mit einer Salve rund 8.000 Bombletmunitionen auf einem Gebiet bis zu einem Quadratkilometer verteilen, was einer Fläche von 150 Fußballfeldern entspricht. Ausgestattet mit einer hohen Blindgängerquote wirkt Streumunition ähnlich wie Minen: Ganze Landstriche werden unzugänglich, Landwirtschaft wird unmöglich - eine tickende Zeitbombe für die Bevölkerung.

Streumunition verstößt nach Ansicht des DFG-VK- und Kritischen-Aktionärs-Sprechers gegen die Genfer Konvention, da diese wahllose Angriffe verbietet - eine Ansicht, die auch vom Aktionsbündnis landmine.de vertreten wird.

Neben der Connection von Daimler/EADS mit der MDBA muss auf die 19-prozentige Beteiligung an der Diehl BGT Defence und die 50-prozentige Beteiligung an der TDA hingewiesen werden, mit der Daimler/EADS am Geschäft mit Streumunition profitiert. So produziert Diehl Bodensee-Gerätetechnik den Raketenwerfer RM 70 inklusive Streumunitionsraketen für die slowakischen Streitkräfte. TDA bietet verschiedene Raketen mit Streumunition an, unter anderem für den Kampfhubschrauber Tiger, an dem die EADS massiv beteiligt ist.

In ihren Geschäftsberichten preist die Daimler-Beteiligungsgesellschaft EADS ihre »Verantwortung in der Gesellschaft« (Corporate Social Responsibility, CSR) und behauptet: »Unsere Produkte und Dienstleistungen für Verteidigungszwecke erhöhen die Sicherheit vieler Nationen.« Tatsache ist, dass Streumunition das Leben vieler unschuldiger Menschen bedroht, vor allem das von Kindern, Frauen und alten Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten. Denn beim Einsatz von Streumunition, wie beispielsweise auch im Kosovo geschehen, werden häufig Zivilisten getroffen.

Einen ersten großen Erfolg können die Konzernkritiker bereits jetzt vorweisen: Nach der Information über die Verwicklung des Auto- und Rüstungskonzern in Waffengeschäfte, weigerte sich Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, im Geschäftsjahr 2005, DaimlerChrysler auf die Sponsorenliste zu setzen. Und als erstes Land hat Belgien im Februar 2006 Streumunition gänzlich verboten. Diese erfreuliche Entwicklung sollte auch die Diskussion in Deutschland forcieren und Daimler/EADS als Streumunitionshersteller in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion rücken.

Um dazu beizutragen und das Ziel des vollständigen Ausstiegs von Daimler/EADS aus der Streumunition zu erreichen, führt die DFG-VK im Rahmen der bundesweiten Kampagne »Schritte zur Abrüstung« eine Postkarten-Aktion durch. Sie will die wirtschaftlichen Verantwortungsträger mit den Folgen ihres Handelns konfrontieren. In einer globalisierten Wirtschaft aber tragen, neben den politischen, gerade auch die wirtschaftlichen Akteure eine hohe soziale und ethische Verantwortung. Vor allem das Handeln der Rüstungskonzerne erfordert eine kritische und wachsame Zivilgesellschaft, die Aufklärungsarbeit leistet und eine Gegenmacht aufbaut.

Bei Konzernen, die wie DaimlerChrysler nicht nur militärische, sondern auch zivile Produkte verkaufen wollen, stellt die öffentliche Meinung eine wichtige Größe dar. Zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und Einflussnahme auf die Autokäufer stellt die neue DFG-VK-Postkarte »Ihr guter Stern auf allen Straßen. Weiterdenken!« ein hilfreiches Mittel dar. Dabei kann die Postkarte von konzernkritischen Aktivistinnen und Aktivisten hinter die Scheibenwischer von Daimler-Fahrzeugen wie Smart, Mercedes und Chrysler geklemmt werden. Und sie sollte von Konzernkritikern, Daimler-Kunden, -Aktionären und -Händlern an die Unternehmensführung geschickt werden.

Wer die Aktion unterstützen will, kann die Postkarte auch in größeren Mengen beim DFG-VK-Materialversand (c/o DFG-VK-Landesverband Baden-Württemberg, Haußmannstr. 6, 70188 Stuttgart, material@dfg-vk.de) bestellen oder an der eMail-Protest-Aktion auf der DFG-VK-Homepage teilnehmen (www.dfg-vk.de). Zur weiteren massenhaften Verbreitung dient auch eine im Downloadbereich abrufbare elektronische Postkarte, die direkt auf unsere eigens erstellte Daimler/EADS-Animation verlinkt.

Die Erfahrung der Landminenkampagne hat gezeigt, dass der DaimlerChrysler-Vorstand nur durch öffentlichen Druck zur Umkehr bewegt werden kann. So hat Daimler/EADS beispielsweise auf die Produktion der Panzerabwehrrichtmine 2 (PARM 2) verzichtet. In diesem Sinne bitte ich Euch um die aktive Unterstützung der Aktion »Weiterdenken!«

Joachim Thommes ist Politischer Geschäftsführer der DFG-VK

In: ZivilCourage Nr. 3, Juli 2006, S. 14 f.