Zeitschriftenbericht »Wir kaufen keinen Mercedes: Boykottiert Streumunition!«
in FriedensForum vom Mai 2007



Wir kaufen keinen Mercedes: Boykottiert Streumunition!

Jürgen Grässlin

Wir alle kennen sie, die A-, B-, C- oder E-Klasse-Fahrzeuge von Mercedes. Mit dem Stern verbinden Menschen weltweit den »Mythos Mercedes«. Doch nur wenige von ihnen wissen, dass der Hersteller dieser Luxuslimousinen ­ die DaimlerChrysler AG ­ über ihre Firmenanteile zugleich Deutschlands größter Rüstungsproduzent und -exporteur ist. Mit der 15-prozentigen Beteiligung am Rüstungskonzern European Aeronautics Defence and Space Company (EADS) und weiteren Firmenbeteiligungen ist DaimlerChrysler in die Produktion von Kampfbombern, Militärhelikoptern, Trägersystemen für Atomwaffen und eben Streumunition bzw. Raketenwerfern für Streumunition verwickelt.

Bei der internationalen Waffenmesse Eurosatory in Paris präsentierte das rüstungsproduzierende Unternehmen MBDA, an dem Daimler/EADS zu 37,5 Prozent beteiligt ist, Raketenwerfer vom Typ MLRS (Multiple Launch Rocket System) sowie deren Streumunitionsraketen. Die technisch optimierte MLRS-Version, das neue »Guided« MLRS-System, wird über eine noch größere Reichweite verfügen, noch zielgenauer treffen und über noch effizientere Munition verfügen.

MLRS- bzw. GLMRS-Lenkraketen werden im Rahmen eines Kooperationsprogrammes der Rüstungskonzerne Lockheed Martin, Diehl und Daimler/EADS/MBDA in immenser Stückzahl gefertigt. Eine Salve mit rund 8000 Bombletmunitionen des Streumunitionswerfers GLMRS reicht aus, um Zivilisten wie Soldaten in einem Gebiet von bis zu einem Quadratkilometer durchsieben zu können. Dabei verfügen die Militärs über einen weitaus besseren Schutz als wehrlose Frauen, Kinder und alte Menschen, die sich auf der Flucht befinden.

Militärs in aller Welt wissen die technischen Vorzüge von Streumunition zu schätzen: Diese Waffen sind äußerst effizient, die Folgen ihres Einsatzes währen Jahrzehnte und damit ist ihr Abschreckungscharakter immens hoch. Die beispielsweise im Jahr 2006 seitens der israelischen Armee im Krieg mit dem Libanon eingesetzte MLRS-Streumunition besitzt eine Wirkung, die mit der von Landminen vergleichbar ist. Wegen der äußerst hohen Anzahl von Blindgängern, die bei bis zu vierzig Prozent der abgeschossen Raketen liegen kann, werden ganze Landstriche mit Streumunition verseucht. Noch heute liegen im Südlibanon Hunderttausende von Blindgängern, die in den kommenden Jahren Menschen das Leben kosten werden.

Aus den genannten Gründen bewertet das Aktionsbündnis landmine.de den Einsatz von Streumunition als Verstoß gegen die Genfer Konvention, welche wahllose Angriffe auf Zivilisten verbietet. Weitere Hintergrundinformationen finden Sie auf den Websites von http://www.landmine.de und http://www.streubomben.de

Noch ignoriert der Konzernvorstand Kritik an Streumunition

Bereits im Vorfeld der Daimler-Hauptversammlung Anfang April 2007 thematisierten Friedensaktivisten die Streumunitionsverwicklung der DaimlerChrysler AG. Auf zwei bestens besuchten Pressekonferenzen starteten die bislang beteiligten Unterstützerorganisationen der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC), der Deutschen Friedensgesellschaft ­ Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), von Ohne Rüstung Leben (ORL), des RüstungsInformationsBüros (RIB) und der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden die Kampagne »Wir kaufen keinen Mercedes: Boykottiert Streumunition!« und riefen die Bevölkerung zum Mitmachen auf.

Dr. Eva-Maria Fischer von handicap international und Thomas Küchenmeister von landmine.de zeigten vor laufenden Kameras die Verwicklung der DaimlerChrysler AG in Streumunition auf. Tags darauf konfrontierten die Konzernkritiker die Unternehmensspitze und die rund zehntausend Aktionäre der DaimlerChrysler AG mit der Schattenseite des Sterns: In Anträgen und Redebeiträgen zeigten die kritischen Aktionäre die Problematik der Streumunitionsbeteiligung des Auto- und Rüstungsriesen auf. Noch ignorierten die Vorstände um den Vorsitzenden Dieter Zetsche die Konzernkritiker. Finanzchef Bodo Uebber verstieg sich gar zu der Behauptung, DaimlerChrysler werde »immer wieder in Zusammenhang« mit Waffensystemen gebracht, »den es nicht gibt und nie gegeben hat«.

Geradezu sensationell war dagegen die Tatsache, dass die Redebeiträge zur Streumunitionsverwicklung von keinerlei Missfallensbekundungen begleitet waren, sondern vielzählige Daimler-Aktionärinnen und -Aktionären lautstark Beifall für die Forderung nach Ausstieg aus dieser menschenverachtenden Waffenproduktion spendeten.

Der entscheidende Mausklick: Ja, ich mache mit!

In Zeiten weltweiter Überproduktion stehen Autokonzerne unter massivem Verkaufsdruck. Umso größer sind die Erfolgsaussichten ethisch verantworteter Kampagnen, mit denen der Ausstieg aus der Fertigung unmoralischer und menschenverachtender Produkte wie Streumunition gefordert wird. Entscheidend ist dabei vor allem die Frage, wie viele potentielle Autokunden die Aktion »Wir kaufen keinen Mercedes: Boykottiert Streumunition!« unterstützen.

Um der Forderung nach Ausstieg aus der Streumunitionsproduktion Nachdruck zu verleihen, hat die DFG-VK im Namen der Unterstützerorganisationen die Homepage www.wir-kaufen-keinen-mercedes.de eingerichtet. Auf dieser Website können Sie folgende drei Forderungen öffentlich bekunden, die an den Daimler-Vorstand gerichtet sind: Ausstieg aus der Streumunition! Räumgeräte statt Raketenwerfer! Einrichtung eines Fonds für die Opfer von Streumunition!

Für den Erfolg der Aktion ist vor allem entscheidend, ob es gelingt weitere Unterstützerorganisationen und -gruppen und vor allem vielzählige Menschen zu gewinnen, die die Forderungen an den Daimler-Vorstand unterstützen. Aus diesem Grund möchten wir Sie bitten: Machen Sie mit! Sprechen Sie ihre Familie, ihre Verwandten, Freunde und Bekannten an, per Mausklick zu bekunden: Ich kaufe keinen Mercedes, solange der Daimler-Konzern in die Forschung, Entwicklung und Produktion von Streumunition bzw. Raketenwerfern für Streumunition verwickelt ist. Und helfen Sie mit, dass dieser Aufruf an möglichst viele andere Interessentinnen und Interessenten weitergeleitet wird.


Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC), Sprecher des Deutschen Aktionsnetzes Kleinwaffen Stoppen (DAKS) und Vorstandsmitglied RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.). In seinem topaktuellen Buch »Abgewirtschaftet?! Das Daimler-Desaster geht weiter« (Knaur Verlag München, ISBN 3-426-77977, 9,95 €) zeigt er das gesamte »Rüstungs-Desaster« und die Streumunitionsverwicklung von Daimler/EADS auf.

Kontakt: j.graesslin@gmx.de
Homepage: http://www.juergengraesslin.com

Beteiligen Sie sich über die neue Website http://www.wir-kaufen-keinen-mercedes.de an der Aktion gegen die Streumunitionsproduktion bei Daimler/EADS


In: FriedensForum vom April/Mai 2007, S. 21 f.