Warum die Daimler AG noch vor kurzem Rüstungsgüter an Gaddafi & Co. geliefert hat
Moderation Fritz Frey:
Beeindruckende Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit, beispielhafter Komfort und vorbildliche Sicherheit machen den Actros zum idealen Partner für Ihre Arbeit. So preist Mercedes-Benz den LKW an, den Sie hier im Bild sehen.
Mehr als unangenehm ist es, wenn es sich bei der erwähnten Arbeit um ein Massaker am eigenen Volk handelt. Und genau darum geht es, um den Einsatz dieser deutschen Wertarbeit von Libyens Diktator Gaddafi.
Schnell und zuverlässig bringen sie seine Panzer dorthin, wo er Aufständische zusammenschießen will. Thomas Reutter mit einer Spurensuche.
Bericht:
Oberst Gaddafi. Der Tyrann stachelt die Massen auf. Gnadenlos lässt er Zivilisten töten. Auch viele Kinder fallen dem Krieg zum Opfer. Tausende Flüchtlinge. Sie fliehen vor Gaddafis Panzern.
Mit solchen Militärtransportern werden die Panzer an die Front gebracht, zur Rebellenhochburg Bengasi, wie aktuelle Nachrichtenbilder zeigen. Das Ziel: Die Aufständischen zu vernichten. Um die schweren Panzer an die Front zu bringen, braucht das Regime solche Spezialtransporter. Woher stammen die Fahrzeuge?
Eine Spurensuche im Internet: Wir stoßen auf Fotos von Lastern in Bremerhaven. Sie sehen denen aus Libyen erstaunlich ähnlich. Im Mai 2010 wurden sie verschifft. Es sind Mercedes Actros von Daimler. Aber ist es möglich, dass Daimler Gaddafi mit Militärfahrzeugen beliefert hat?
Wir fragen nach. Und tatsächlich, der Konzern bestätigt: Das Daimler Werk Wörth hat das Regime 2009 und 2010 beliefert. Mit 25 Militärtrucks, Typ: Actros, Wert: 7,5 Millionen Euro. Wie wichtig sind diese Fahrzeuge im Krieg von Machthaber Gaddafi?
Niels Dubrow ist Rüstungsexperte im Berliner Informationsbüro für Transatlantische Sicherheit. Aus seiner Sicht spielen sie eine ganz entscheidende Rolle.
O-Ton, Niels Dubrow, Rüstungsexperte:
»Diese Transporter sind für den Einsatz dieser Panzer, gerade in Libyen, absolut unabdingbar. Gerade große, raumgreifende Operationen sind ohne sie einfach nicht möglich.«
Sie sind die Leidtragenden. Die Menschen in Bengasi, die Gaddafis Militärmacht fürchten müssen. Wir erzählen Ihnen, dass Daimler den Diktator mit Rüstungsgütern beliefert hat. Sie können es kaum fassen.
O-Ton
»Es ist ein riesen Fehler, sich mit Gaddafi einzulassen.«
O-Ton
»Wenn das stimmt, dann sind die Deutschen mitverantwortlich für Gaddafis Massaker. Dann helfen die Deutschen mit, das Libysche Volk zu vernichten.«
Jürgen Grässlin hat vier Bücher über Daimler geschrieben und kennt die Rüstungsgeschäfte des Konzerns. Wie denkt er über die Lieferungen für Gaddafi?
O-Ton, Jürgen Grässlin, Kritische AktionärInnen Daimler:
»Man ist damit im Prinzip indirekt Kriegsbeteiligter und man leistet ja dadurch, dass die Waffen und Soldaten transportiert werden, Kriegshilfe und aktive Waffenhilfe. Man ist Kriegspartei.«
Ist Libyen ein Einzelfall? Auf Nachfrage räumt Daimler noch weitere Lieferungen an Diktaturen ein, und zwar ausgerechnet an die, die Oppositionelle jahrelang gefoltert und drangsaliert haben. Alleine im Jahr 2010 verkaufte der Konzern 143 Militärfahrzeugteile an Ägypten. Drei Militärlaster an Saudi Arabien. Und 58 Militär-LKW an Algerien.
Dabei beteuert der Konzern auf seiner Homepage: »Daimler setzt sich für die Einhaltung der Menschenrechte ein.« Amnesty International dokumentiert seit langem schlimmste Menschenrechtsverletzungen bei den Geschäftspartnern von Daimler. Konnte das dem Konzern entgangen sein?
O-Ton, Mathias John, Rüstungsexperte Amnesty International:
»Die Produzenten solcher Technologie bräuchten nur einen Blick in die Menschenrechtsberichte von Amnesty International oder auch von Human Rights Watch zu werfen, um zu sehen, wie katastrophal die Menschenrechtssituation in den Empfängerländern ist. Es kann sich niemand darauf zurückziehen, er hätte es nicht gewusst.«
Ein Interview zu seinen Rüstungsexporten lehnt das Unternehmen ab. Schriftlich rechtfertigt sich der Konzern, alle Rüstungsexporte seien ordentlich genehmigt worden, vom Bundesausfuhramt. Das darf Lieferungen nur in Länder genehmigen, in denen die Menschenrechte eingehalten werden.
Zuständig ist Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Von ihm wollen wir wissen, warum die Regierung zulässt, dass Diktatoren wie Gaddafi mit wichtigen Rüstungsgütern beliefert werden. Doch bis heute: keine Stellungnahme.
Katja Keul beschäftigt sich seit Jahren mit Rüstungsexportpolitik. Sie ist parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen und sitzt im Verteidigungsausschuss. Wie beurteilt sie die Exportgenehmigungen?
O-Ton, Katja Keul, B'90 / Grüne, Mitglied Verteidigungsausschuss:
»Also das empört mich zutiefst und ich setze mich auch im Rahmen meiner Tätigkeit im Verteidigungsausschuss wirklich dafür ein, dass wir es hinbekommen, auch über Fraktionen hinaus hier wirklich andere Verfahren zu finden. Denn solange diese Genehmigungspraxis im Geheimen stattfindet, ohne öffentliche und ohne parlamentarische Kontrolle wird sich letztlich daran nichts ändern. Das hätte man nicht genehmigen sollen.«
Heidemarie Wieczorek-Zeul hat als Bundesministerin elf Jahre lang mitentschieden über Rüstungslieferungen und steht für eine restriktive Exportpolitik.
O-Ton, Heidemarie Wieczorek-Zeul, SPD, Bundesentwicklungshilfeministerin a. D.:
»Diese Lieferungen widersprechen den politischen Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland für den Rüstungs- und Waffenexport und in Länder, die mit diesen Lieferungen Menschenrechtsverletzungen begehen, dürfen solche Rüstungsgüter nicht geliefert werden.«
In Libyen geht das Leiden und Töten weiter, auch mit Rüstungsgütern Made in Germany.
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