Wirtschaft u. Umwelt
Von Peter Kleinert
Alle Medien berichten seit Montag von der Trennung von DaimlerChrysler. Daß der Bestsellerautor Jürgen Grässlin pünktlich zur Hauptversammlung der AG in Berlin sein neues Taschenbuch »Abgewirtschaftet?! - Das Daimler-Desaster geht weiter« veröffentlicht hat, ist Thema der NRhZ. Denn darin belegt der Autor mit erstmals veröffentlichten Dokumenten, wie DaimlerChrysler am eigenen Vertrieb vorbei Autos ins Ausland verkaufte und sich zugleich als Rüstungsriese auf dem Waffenmarkt platziert. Der Konzern selbst wird nervös. Er geht mit massiven juristischen Schritten gegen den unbequemen Freiburger Autor vor. Zetsche-Anwalt forderte 50.000 Euro Schmerzensgeld Bereits Jürgen Grässlins letzte Dokumentation von Macht und Intrigen der DaimlerChrysler AG, die er detailreich und akribisch im Bestsellerbuch »Das Daimler-Desaster« veröffentlichte, hatte den Konzern aus Stuttgart mächtig geärgert. Zeigt sie doch - schonungslos und erschütternd zugleich - den Verfall des einstigen schwäbischen Musterunternehmens zu einem Konzern, dem offensichtlich jede Moral abhanden gekommen ist. Doch Versuche von DaimlerChrysler, das Erscheinen des Buches oder einzelner Inhalte selbst zu verhindern, scheiterten durch umfassende Schutzschriften, die durch den Verlag bei den zuständigen Landgerichten eingereicht wurden. Zuletzt forderte der Rechtsanwalt des Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche ein Schmerzensgeld von nicht weniger als 50.000 Euro. Das nun vorliegende Werk ist eine überarbeitete und in Teilen stark erweiterte Neuauflage des Vorgängers. In Stuttgart scheint man nervös zu werden. Angesichts der vorliegenden Veröffentlichungen ist das allerdings auch wenig verwunderlich. Jürgen Schrempp und Jürgen Grässlin Graumarktgeschäfte vernichteten Existenzen Neben den Teilen, die ausführlich auf die gescheiterte Welt AG, das Produkt-Desaster und die Umstände des Rücktritts von Jürgen Schrempp eingehen, spielen dabei drei Kapitel des über 350 Seiten starken Taschenbuchs eine herausragende Rolle. Nichts macht den moralischen Verfall des einstigen Vorzeigeunternehmens deutlicher als die hochbrisante Dokumentation systematisch betriebener Graumarktgeschäfte in den Kapiteln fünf bis sieben des Buches. Hier wurden über Jahre hinweg ganze Existenzen vernichtet. Der Verkauf von Pkw am eigenen Vertriebssystem vorbei wäre an sich wohl nicht mehr als verwerflich, würde hier nicht offensichtlich neben Vorgaben der Konzernführung auch noch EU-Recht gebrochen. Zum einen sind DaimlerChrysler auf Grund einer Europäischen Richtlinie solche »Parallelmarktgeschäfte« untersagt, zum anderen - und an dieser Stelle wird das Buch zum wahren Wirtschaftskrimi - verklagt der Konzern reihenweise Händler, die den Konzern angeblich zu Lasten der DaimlerChrysler AG betrogen haben sollen. Viele von Ihnen, darunter auch der inzwischen vom BGH wiederholt freigesprochene ehemalige Spediteur Gerhard Schweinle, mussten und müssen noch heute dafür ins Gefängnis. Versuche, den Autor mundtot zu machen, gescheitert Die Hintergründe hierzu sind so tiefgreifend und folgenschwer, dass sich DaimlerChrysler dazu veranlasst sieht, den bekannten Konzernkritiker gleich mehrfach auf Unterlassung von Aussagen zur möglichen Verwicklung des neuen Daimler-Vorsitzenden in Graumarktgeschäfte und dessen diesbezügliche Rolle als Zeuge in einem Strafprozess zu verklagen. Ob die offensichtliche Strategie des Konzerns aufgeht, den Kritiker mundtot zu machen, darf angezweifelt werden. Grässlin bei der Aktion »Ich kaufe keinen Mercedes. Boykottiert Streumunition!«
»Abgewirtschaftet?! Das Daimler-Desaster geht weiter« von Jürgen Grässlin,
Knaur Taschenbuch Verlag Broschiert), 9,95 Euro
http://www.NRhZ.de/flyer/beitrag.php?id=10914