Redebeitrag von JG
»60 Jahre Heckler & Koch: Kein Grund zum Feiern!«
anlässlich der »Maskerade des Todes«
in Oberndorf am 07.03.2009




60 Jahre Heckler & Koch: Kein Grund zum Feiern!

Von Jürgen Grässlin

Am 28. Dezember 1949 gründeten drei Ingenieure der Oberndorfer Waffenfirma Mauser - Heckler, Koch und Seidel - das neue Unternehmen Heckler & Koch. Bereits im Jahr 1951 erfolgte die Vorführung des ersten Prototyps für das spätere G3-Gewehr vor dem spanischen Diktator Francisco Franco. Im Juli 1955 begann Serienfertigung von 5000 Sturmgewehren für die spanischen Streitkräfte. Angesichts der schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs galt im Nachkriegsdeutschland zu Recht ein Waffenproduktionsverbot. Anfangs entwickelte die Firma Heckler & Koch zivile Produkte – und begann dennoch schnellstmöglich wieder mit der Waffenproduktion.
Die Gründung von H&K im Jahr 1949, die Umstellung von der zivilen auf die militärische Fertigung und die Rüstungszusammenarbeit mit dem diktatorischen Franco-Regime sind kein Grund zum Feiern!

Im Jahr 1952 erfolgte die Verlagerung der Firmenzentrale aus dem engen Neckartal in den oberhalb gelegenen Stadtteil Oberndorf-Lindenhof, die frühere Adolf-Hitler-Siedlung. 1958 erwarb der Bund die G3-Lizenz. In den Folgejahren wurde das Sturmgewehr zur Standardwaffe der Bundeswehr.
In einer CDU/CSU-SPD-FDP-Allparteienkoalition vergaben die Bundesregierungen in den Sechziger und Siebziger Jahren fünfzehn G3-Lizenzen zum Nachbau des Schnellfeuergewehrs an Portugal (1961), Pakistan (1963), Schweden (1964), Norwegen (1967), Iran (1967), Türkei (1967), Saudi-Arabien (1969), Frankreich (1970), Thailand (1971), Brasilien (ca. 1976), Griechenland (1977) und Mexiko (1979). Weitere G3-Lizenzen erhielten Myanmar/Birma, die Philippinen und Malaysia. Kein anderes Gewehr kann derart viele Lizenzvergaben verzeichnen. Damit tragen die Bundesregierungen, gleich welcher parteipolitischen Couleur, massiv Mitschuld an der Globalisierung des Handfeuerwaffenmarktes.

Die Vergabe der G3-Gewehrlizenzen und die damit verbundene unkontrollierte Verbreitung von H&K-Waffen auf den Schlachtfeldern der Welt sind kein Grund zum Feiern!

Nach Untersuchungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes sterben rund 63 Prozent – also zwei von drei Menschen – bei Kriegen und Bürgerkriegen durch Gewehrkugeln. Heckler & Koch ist Europas größter Gewehrproduzent. Ganz legal, mit Genehmigung der jeweils amtierenden Bundesregierung, belieferte Heckler & Koch mindestens 88 Staaten mit Waffen. Damit ist Heckler & Koch deutscher Rüstungsexportmeister. Durch Direktexporte, Lizenzfabrikationen sind H&K-Waffen – abgesehen von der Antarktis – auf allen Kontinenten im tödlichen Einsatz. Weltweit wurden und werden mit rund 11 Millionen Heckler & Koch-Waffen Menschen bei Kriegen und Bürgerkriegen getötet.
Unerbittlich tickt die Heckler-Uhr. Seit rund fünfzig Jahren stirbt durchschnittlich alle 14 Minuten ein Mensch durch eine Kugel aus einer H&K-Waffe, die von Heckler & Koch entwickelt worden ist. Seit Gründung der Firma Heckler & Koch im Dezember 1949 wurden mehr als 1,5 Millionen Menschen mit H&K-Gewehren erschossen. Wer sich diese Opferzahlen vor Augen hält, kann zu dem Schluss kommen, dass Heckler & Koch die tödlichste deutsche Firma der Nachkriegsgeschichte ist.

Das weltweite Massenmorden mit H&K-Waffen ist kein Grund zum Feiern!

Seit einem halben Jahrhundert sind Heckler & Koch-Waffen auf den Schlachtfeldern in aller Welt im Einsatz. Schuld daran sind neben den Direktexporten auch die Lizenzvergaben an NATO-Staaten.
So erhielten Portugal, Griechenland und die Türkei jeweils eine G3- und eine MP5-Lizenz, Frankreich und Norwegen eine G3-Lizenz und Großbritannien eine MP5-Lizenz, wobei in England auch G3-Gewehre gefertigt wurden. Griechenland und Portugal erhielten zudem eine Lizenz für das Maschinengewehr HK21, Griechenland zudem eine Lizenz für die Pistole P7, Italien eine Lizenz für das Sturmgewehr G41, Griechenland eine Lizenz für die Maschinenpistole HK53, Italien und die Türkei Lizenzen für den Granatwerfer 40mm, und Spanien die Nachbaurechte für das G36-Gewehr. Im Zeitraum zwischen 2015 und 2018 wird der Abschluss der Produktion von mindestens 500.000 HK33-Lizenzgewehren als G3-Nachfolger bei MKEK in der Türkei erwartet.
Mehrere der NATO-Staaten setzten H&K-Waffen bei Kriegen ein oder exportierten H&K-Lizenzwaffen an andere Staaten. Beispielsweise führte Portugal mit den G3-Lizenzgewehren Kolonialkriege in Afrika, der französische Lizenznehmer exportierte Anfang der 70-ger G3 an das diktatorische Regime von Idi Amin in Uganda.
Mitte 2006 schloss H&K den Modernisierungsauftrag für 350.000 SA-80-Gewehre der britischen Armee ab, die diese Waffen u.a. im Irakkrieg einsetzte. Auch Spezialeinheiten der US-Army kämpfen mit H&K-Waffen im völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak. Gerade bei NATO-Spezialeinheiten finden sich H&K-Waffen an vorderster Front. Auch das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr, zu deren Einsatzschwerpunkten Aufklärung, Terrorismusbekämpfung, Kommandokriegsführung zählen, setzt vornehmlich auf H&K-Waffen bei seinen Kampfeinsätzen – auch in Afghanistan.

Der Einsatz von H&K-Waffen bei Kriegen und Menschenrechtsverletzungen durch die NATO ist kein Grund zum Feiern!

Der NATO-Partner Türkei erhielt 1967 eine Lizenz für das Schnellfeuergewehr G3 und 1983 für die Maschinenpistole MP5. Die MP5 wurde unter Bruch der von der Bundesregierung verabschiedeten »Politischen Grundsätze zum Rüstungsexport« rechtswidrig an andere Staaten reexportiert. Vornehmlich mit den bei der türkischen Firma MKEK in Kirikkale in Lizenz gefertigten H&K-Waffen führte die türkische Armee ihren Bürgerkrieg gegen Kurdinnen und Kurden im Südosten des Landes.
Laut Aussagen türkischer Soldaten wurden zwischen 1985 und 1999 rund 40.000 Kurden getötet, mehr als 80 Prozent mit H&K-Waffen. Die türkische Regierung bestätigte die massenhafte Tötung von PKK-Mitgliedern. In Wahrheit waren die meisten der Getöteten unschuldige Kinder, Frauen und alte Männer.
Als eine der letzten Amtshandlungen vergab die Bundesregierung unter Helmut Kohl 1998 eine Lizenz für die HK33 an die Türkei. Die Nachfolgeregierung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer genehmigte die entsprechende Munitionslizenz. Bis 2018 wird der Abschluss der Produktion von mindestens 500.000 HK33-Lizenzgewehren bei MKEK in der Türkei erwartet.

Bis heute werden Kurdinnen und Kurden mit H&K-Waffen unterdrückt und ihrer Identität beraubt. Das ist kein Grund zum Feiern!

Unzählige Menschen führen als körperlich Verstümmelte oder psychisch Traumatisierte ein vergleichsweise menschenunwürdiges Leben. Vielen von denen, die den Beschuss mit H&K-Waffen überlebt haben, fehlen Gliedmaßen oder sie tragen Kugeln bzw. deren Splitter im Körper, die man durch ihre Haut ertasten kann.
Die immense Zahl der H&K-Opfer macht deutlich: Heckler & Koch ist das Unternehmen, dessen Produkte seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland die meisten Verstümmelten und Toten zur Folge hatten.
Doch die meisten Opfer leben auf anderen Kontinenten und bleiben unbekannt. Ein Schuss aus einem H&K-Waffe reicht aus, einen Menschen von einer Sekunde zu andern zeitlebens zum Krüppel zu machen. Die meisten Opfer können aufgrund ihrer Traumatisierung nicht einmal sagen, mit welcher Waffe sie verstümmelt wurden.
Das Schicksal des somaliländischen Teehausbesitzers Abdirahman Dahir Mohamed bildet die Ausnahme: Er ist im Besitz des G3-Gewehres, mit der ihm das rechte Bein abgeschossen worden ist. Wegen des daraus resultierenden Knochenfraßes muss sein Oberschenkenknochen immer weiter abgesägt werden.
An Absurdität schwerlich überbietbar ist die Tatsache, dass Heckler & Koch im Jahr 2000 den »Deutschen Arbeitsplatzinvestor-Preis« in der Kategorie »Schwerbehinderte« zugesprochen bekommen hat.

Unzählige Menschen wurden durch den Einsatz von H&K-Waffen zu Kriegskrüppeln und Schwerstbehinderten. Das ist kein Grund zum Feiern!

Auch Guerillaeinheiten schätzen die Treffgenauigkeit der H&K-Waffen, wie der Sendero Luminoso in Peru, die FARC in Kolumbien und die PKK in Türkisch-Kurdistan. Das Logo der RAF zierte eine MP5-Maschinenpistole. Im März 2003 wurde der serbische Ministerpräsident Goran Djindjic mit einem G3-Scharfschützengewehr erschossen.
Fotografien belegen den Einsatz von MP5-Maschinenpistolen bei Hamas-Kämpfern im Gaza-Streifen Anfang 2009 und bei Menschenrechtsverletzungen seitens der Taliban im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Heckler & Koch hat in Söldnermagazinen wie Soldier of Fortune für seine Waffen geworben. In aller Welt schießen Söldner mit H&K-Waffen. Die US-Söldnerfirma Blackwater setzte G36-Gewehre im Irak und gleichsam in Afghanistan ein. Vielzählige weitere Beispiele ließen sich aufführen.

Der weltweite Gebrauch von H&K-Waffen in den Händen von Söldnern und Terroristen ist kein Grund zum Feiern!

Angesichts von derzeit rund 40 stattfindenden Kriege und Bürgerkriege hat Heckler & Koch - selbst in Zeiten der Wirtschaftskrise - scheinbar keine Absatzprobleme. Der Jahresumsatz von H&K beträgt etwa 150 Millionen Euro, die erteilten und erwarteten Aufträge summieren sich auf rund 700 Millionen Euro. Selbst in den für das Jahr 2011 anstehenden Rückzahlungen einer Anleihe von über 120 Millionen Euro sieht H&K-Chef Andreas Heeschen »daher kein großes Problem«.
Wenn die Bundesregierung den H&K-Exportwünschen keinen Riegel vorschiebt, werden die G3 und MP5 weltweit durch die noch treffsichereren G36 und P7 ersetzt. Spanien hat bereits eine Lizenz für das noch treffsichere G36-Gewehr erhalten. Sicherheitskräfte, Polizei- und Militäreinheiten in mehr als 30 Staaten schießen bereits heute mit dem neuen Sturmgewehr G36. Angesichts der Genehmigungspolitik der Bundesregierung steht zu befürchten, dass dieses Gewehr ein Exportschlager wird – wohlgemerkt in den Händen von NATO-Soldaten und Polizeien - und durch Beutewaffen bei Guerillaeinheiten und Terroristen.
Die neue Waffengeneration ist erheblich leichter, was sie auch für Kindersoldaten »interessant« macht. Das G36 könnte zur Killerwaffe Nr. 1 auf den Schlachtfeldern der Welt avancieren.

G36-Gewehre im Einsatz auf den Schlachtfeldern der Welt sind kein Grund zum Feiern!

Bei ihrem 16. Gewerkschaftstag forderte die IG-Metall 1989 »alle Gliederungen der Organisation auf, die Initiativen zur Rüstungskonversion in den Betrieben und Regionen auch weiterhin zu unterstützen… Die Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen darf nicht als Argument gegen Abrüstung bzw. für mehr Rüstungsproduktion und Waffenexport missbraucht werden.« In Oberndorf scheint die IG Metall diese Aufforderung schlichtweg zu ignorieren.
Doch unser Zauberwort heißt noch immer Konversion. Die Umstellung auf eine sinnvolle zivile Fertigung schafft nicht nur neue, sondern auch ethisch und moralisch verantwortbare Arbeitsplätze. Wir strecken jeder und jedem die Hand aus, die sich dem Geschäft mit dem Tod verweigert.
Im Jahr 1990 habe ich der H&K-Pressesprecherin Andrea Franke das Konversionskonzept »Modellregion Oberndorf-Schramberg« vorgelegt – sie hat sich nicht dafür interessiert. Und leider hat sich an der Einstellung der H&K-Geschäftsführung bis zum heutigen Tag daran offenbar nichts geändert.
Heckler & Koch setzt fast ausschließlich auf Waffenproduktion und Rüstungsexporte statt auf Rüstungskonversion. 60 Jahre nach Gründung der Firma Heckler & Koch gibt es keinen einzigen Grund zum Feiern!

Für uns bedeutet das Wissen um die zahllosen Opfer des Einsatzes von H&K-Waffen den Auftrag, gerade in diesem Jahr engagiert gegen die Rüstungsexporte von Heckler & Koch einzutreten. Wir bieten der H&K-Geschäftsführung, den Mitarbeiter/innen von H&K, der IG Metall, der baden-württembergischen Landesregierung und auch der für die Rüstungsexportpolitik verantwortlichen Bundesregierung Gespräche über die Erarbeitung von Konversionsprogrammen zur Umstellung auf eine sinnvolle zivile Fertigung an.

Wird dieses Angebot ausgeschlagen, dann bleibt nur eines: Wir fordern die Schließung von Heckler & Koch!

Vielen Dank