»Eine andere Welt ist möglich.
Lasst uns diese bessere, gerechtere, ökologisch intaktere
und friedlichere Welt gemeinsam gestalten!«
Gedanken von Jürgen Grässlin,
anlässlich der Verleihung des Stuttgarter Friedenspreises
bei der Friedensgala der AnStifter am 10. Dezember 2016
im Theaterhaus Stuttgart



»Eine andere Welt ist möglich.

Lasst uns diese bessere, gerechtere, ökologisch intaktere und friedlichere Welt gemeinsam gestalten!«

Gedanken von Jürgen Grässlin,
anlässlich der Verleihung des Stuttgarter Friedenspreises
bei der Friedensgala der AnStifter
am 10. Dezember 2016 im Theaterhaus Stuttgart

Vorbemerkung: Diese grundlegenden Gedanken habe ich bei der Preisverleihung
auf der Bühne des Stuttgarter Theaterhauses vorgetragen.
Im Folgenden sind einige der Gedanken präziser ausformuliert.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
sehr geehrte Damen und Herren,

die Verleihung des Stuttgarter Friedenspreises 2016 freut mich wirklich sehr, ich empfinde sie als eine große Ehre. Zumal viele der weiteren 24 Mitbewerberinnen und Mitbewerber gleichsam eine unglaublich löbliche und unterstützenswerte Friedens- und Menschenrechtsarbeit leisten.

Umso mehr verstehe ich diese Preisverleihung als Anerkennung des unbändigen Engagements und der unermüdlichen Friedensarbeit Abertausender Menschen gegen den mörderischen Handel mit Kriegswaffen. Denn keine und keiner von uns alleine kann das mächtige System des militärisch-industriell-politischen Komplexes brechen. Dazu bedarf es einer breiten Bewegung, die wir mit der bundesweiten Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« ins Leben gerufen haben.

Mit dem Rückenwind des diesjährigen Stuttgarter Friedenspreises will ich mich mit meiner Lebenskraft weiterhin gegen Waffenexporte aller Art einsetzen. Dabei wollen wir – ganz im Sinne des Mottos unserer Aufschrei-Waffenhandel-Kampagne – den Opfern eine Stimme und den Tätern Name und Gesicht geben. Mit meinen Strafanzeigen – unterstützt vom RüstungsInformationsBüro und der DFG-VK – will ich mich dafür einsetzen, dass neben den legalen auch die illegalen Rüstungsexporte unterbunden werden.

Ein maßgeblicher Arbeitsschwerpunkt liegt seit 2009 in der Aufklärung des illegalen G36-Gewehrdeals mit Mexiko. Mitgewirkt haben in der Triade des Todes die Oberndorfer Waffenschmiede Heckler & Koch im Zusammenwirken mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesausfuhramt.

Daniel Harrich, Danuta Harrich-Zandberg und ich haben auf der Basis von Insiderdokumenten im Enthüllungsbuch »Netzwerk des Todes« die kriminellen Verflechtungen von Rüstungsindustrie und Behörden umfassend aufgezeigt. Wir haben der Staatsanwaltschaft Stuttgart zahlreiche Insiderdokumente zur Verfügung gestellt, die widerrechtliches Handeln belegen. Daniel Harrich hat das Thema in seinen Filmen »Meister des Todes« und »Wie das G36 nach Mexiko kam« umfassend für den ARD-Themenabend am 23. September 2015 aufgearbeitet, ich leistete die Fachberatung. Allein in Deutschland haben bislang mehr als sechs Millionen Zuschauer diese Filme gesehen!

Unter dem öffentlichen Druck der Filme und des Buches erhob die Stuttgarter Staatsanwaltschaft – wohlgemerkt fünfeinhalb Jahre nach Erstattung meiner ersten Strafanzeige – zumindest Anklage gegen vormalige H&K-Mitarbeiter. Das ist ein beachtlicher Erfolg für die Aufschrei-Waffenhandel-Kampagne! Wir wurden dafür in Marl mit dem Grimme-Preis geehrt.

Ganz anders als erwartet verliefen die weiteren Reaktionen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft – und genau deshalb kann es für mich keinen besseren Ort als eben Stuttgart geben, um diesen Friedenspreis entgegenzunehmen. Denn das Vorgehen des für die illegalen Mexiko-Gewehrdeals zuständigen Stuttgarter Staatsanwalts Peter Vobiller muss in doppeltem Sinne als skandalös bewertet werden.

Zum einen wurden – ungeachtet des vorgelegten Beweismaterials – allenfalls pro forma Ermittlungen gegen die Mitverantwortlichen des BMWi und der BAFA eingeleitet – und danach sofort wieder eingestellt.

Bedankt hat sich Peter Vobiller nicht bei uns, im Gegenteil: Auf sein Betreiben hin haben die Staatsanwaltschaft Stuttgart zuerst Vorermittlungen und die Staatsanwaltschaft München danach – wohlgemerkt wenige Monate nach Erscheinen des Netzwerk-des-Todes-Buches – gegen uns drei Buchautor/innen strafrechtliche Ermittlungen in die Wege geleitet. Der Vorwurf lautet auf Verdacht der Veröffentlichung verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen gemäß § 353d Strafgesetzbuch. Gemeint ist die partielle Publikation genau der Dokumente, die wir der Staatsanwaltschaft zuvor übergeben haben. Nunmehr drohen dem Filmemacher Harrich und dem Träger des Stuttgarter Friedenspreises 2016 Grässlin womöglich sogar eine Haftstrafe.

In diesem Sinne verstehe ich die Preisverleihung auch als ein stärkendes Signal im Einsatz für die Gerechtigkeit der Opfer deutscher Waffenexporte, für die rechtsstaatliche Bestrafung der Täter und für die in Artikel 5 des Grundgesetzes verbriefte Presse- und Meinungsfreiheit. Juristisch bestens vertreten von den Tübinger Rechtsanwälten Holger Rothbauer und Michael Haager und unterstützt vom Südwestrundfunk/ARD und dem Heyne-Verlag sind Daniel und ich in den vergangenen Monaten gegen das skandalöse Vorgehen der Stuttgarter und Münchener Staatsanwaltschaften vorgegangen.

Fast 40.000 kritische Beobachter haben uns in einer Online-Petition unterstützt, initiiert von Maik Schluroff von der Friedensinitiative Konstanz. Andrea Kraneburg und Roland Didra von der Konstanzer Friedensinitiative sind heute eigens angereist. Und auch manche der Unterzeichner/innen der Petition sind heute im Saal – euch allen gilt mein allerherzlichster Dank! Bereits nächste Woche werden die Medien bundesweit über die aktuell erfreuliche Entwicklung berichten. Denn eure Unterstützung wirkt!

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

neben mir steht die farbenprächtige und vielsprachige Schrifttafel der AnStifter. Hier steht geschrieben: »EINE ANDERE WELT IST MÖGLICH«. Ich glaube fest daran, dass diese andere, bessere, gerechtere, ökologisch intaktere und friedlichere Welt sowohl möglich als auch machbar ist. Unsere zahlreichen Erfolge im Kampf gegen die Machenschaften der Rüstungsindustrie – und da sind die anstehenden Strafprozesse gegen Heckler&Koch-Manager nur ein Beispiel von weitaus mehr – zeigen den Weg in die richtige Richtung.

Doch wir dürfen nicht warten auf den Wandel von oben. Denn Regierungspolitiker und Rüstungsmanager sind Teil des militärisch-industriell-politischen Komplexes. Sie bekämpfen uns und sie bekämpfen die Demokratie. Eine Demokratie, in der die Menschen in Deutschland laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid 84 Prozent vom Januar 2016 für einen völligen Stopp des Waffenhandels eintreten. Ginge es nach dem Willen der weit überwiegenden Mehrheit der Menschen in unserem Land, dass wären Waffentransfers schlichtweg verboten.

Leider leben wir in turbulenten Zeiten widerwärtigen Umbruchs. Menschenrechte geraten unter die Räder der Weltpolitik, Demokratie kämpft weltweit um ihren Fortbestand. Wir wollen uns verbünden, damit Prozesse wie diese in die richtige Richtung gelenkt werden. Lasst uns unsere Netzwerke ausbauen und gemeinsam diese andere Welt schaffen. Lasst uns mit aller Kraft zielgerichtet an der Umsetzung der Vision einer gerechteren und friedlichen Welt arbeiten. Lasst uns diese bessere Welt schnellstmöglich realisieren.

Denn solange wir nicht laut genug aufschreien, womöglich gar schweigen, kommen die Opfer einer menschenverachtenden Politik unter die Räder. Lasst uns deshalb aktiv eintreten für all diejenigen, die keine Stimme haben: Ich meine die Obdachlosen und Notleidenden hierzulande. Ich meine aber auch die Opfer des Einsatzes deutscher Kriegswaffen in den Händen von Militärs und Sicherheitskräften in den Empfängerländern.

Und ich meine all die Menschen, die vor Ungerechtigkeit, Ausbeutung, staatlichem Terror und dem Einsatz von Waffengewalt fliehen müssen. Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten. Denn mit dem Einsatz deutscher Kriegswaffen können sich autokratische Regime, Repressoren und Diktatoren an der Macht halten. Zahlreichen Menschen bleibt einzig die Flucht, wollen sie überleben.

Doch das Unterfangen, das reiche Europa auf dem Seeweg zu erreichen, ist lebensgefährlich. Offiziell kamen 2016 mehr als 4000 Menschen beim Versuch ums Leben, das Mittelmeer mit seeuntüchtigen Schiffen überqueren zu wollen. Die Dunkelziffer der Ertrunkenen ist weitaus höher. Das Mittelmeer ist für viele Flüchtlinge zum Sarg verkommen.

Überlebende fliehen nach Baden-Württemberg, auch nach Stuttgart. Nicht wissend, dass der Tod ein Meister aus Stuttgart ist. Hier hat die US-Army mit dem EUCOM und dem AFRICOM zwei Schaltzentralen ihrer globalen Militär- und Rüstungsmacht errichtet. Von Stuttgart aus werden Kampfeinsätze US-amerikanischer Truppen und Drohnenangriffe in Asien bzw. in Afrika koordiniert. Hier hat der Daimler-Konzern seinen Sitz, der schamlos repressive und kriegführende Regime mit Militärfahrzeugen hochrüstet. Lasst uns Stuttgart zu einer Stadt des Friedens umgestalten. Bisher beginnt Krieg hier – zukünftig muss der Frieden hier beginnen.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

zum Schluss möchte ich Dank sagen, Dank

Mein ganz besonderer Dank gilt meiner geliebten Ehefrau Eva, ohne die ich nicht hier stünde. Eva ist mit mir durch all die guten und schlechten Zeiten gegangen und hat mir jederzeit den Rücken gestärkt, gerade in den harten Phasen der Prozesse der Automobil- und Rüstungsindustrie gegen mich. Sie ist eine Anstifterin für eine bessere Welt im vorbildlichsten Sinne.

Euch und dir liebe Eva allerherzlichen Dank!

Jürgen Grässlin


JG ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.).
Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungsexporte sowie Militär- und Wirtschaftspolitik, darunter internationale Bestseller. Zuletzt verfasste er das »Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient« (2013) mit mehr als 170 Lesungen und das »Netzwerk des Todes. Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden« (2015).

Kontakt:
Tel.: 0761-7678208, Mob.: 0170-6113759, E-Mail: graesslin@dfg-vk.de
Weitere Informationen siehe www.juergengraesslin.com,
www.aufschrei-waffenhandel.de, www.dfg-vk.de und www.rib-ev.de

Petition siehe https://www.change.org/p/staatsanwaltschaft-m%C3%BCnchen-stopp-der-ermittlungen-gegen-j%C3%BCrgen-gr%C3%A4sslin-und-mitstreiter