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Rätselraten um Daimler-Informanten
Von Jürgen Strammer
Heilbronn - Der Prozess gegen Gerhard Schweinle vor dem Amtsgericht steht unter keinem guten Stern - zumindest aus
Sicht der Anklage. Auch der zweite Verhandlungstag wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung war geprägt von
schweigenden Zeugen und Aussagen mit wenig neuen Erkenntnissen. Entsprechend gut gelaunt zeigte sich der Neudenauer
Ex-Spediteur, der bereits wegen Graumarktgeschäften mit Daimler-Autos verurteilt worden war und seitdem entschiedener
Daimler-Gegner ist.
Im Kern geht es darum, wer der Urheber der Behauptung ist, dass zwei Daimler-Spitzenmanager beim überraschenden
Rücktritt des Daimler-Chefs Jürgen Schrempp im Sommer 2005 mit verbotenen Aktiengeschäften Kasse gemacht haben.
Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin hatte das in einer Pressemitteilung behauptet und später Schweinle als seinen
Informanten genannt. Gegen Schweinle erging, nachdem die Behauptung der Insidergeschäfte nicht belegt werden konnte,
ein Strafbefehl über 6600 Euro. Er legte dagegen Widerspruch ein.
Nun soll das Gericht klären, wer der Informant Grässlins war. Doch sowohl Schweinle als auch Grässlin schweigen.
Gestern nun sollten neue Zeugen Licht ins Dunkel bringen. Geladen waren zwei Sprecher des Vereins Kritischer
Aktionäre bei Daimler-Chrysler (KADC). Grässlin ist die Leitfigur des Verbandes. Doch sein Sprecher-Kollege Paul
Russmann erinnerte sich gestern nur lückenhaft an die Vorgänge im Sommer 2005, obwohl er die Pressemitteilung mit
unterschrieben hatte. Grässlin habe ihm den Namen des Informanten nicht genannt. Er würde dies nie tun. Auf die
Vorhaltungen des Staatsanwalts, ob er den Wahrheitsgehalt der Mitteilung nicht überprüft hätte, antwortete er nur:
"Ich vertraue meinem Mitsprecher." Sein zweiter geladener Kollege war gar nicht erst erschienen.
Ein weiterer Zeuge, der Rechtsanwalt Klaus Rotter, der rund 300 Daimler-Aktionäre wegen der mutmaßlich zu späten
Bekanntgabe des Schrempp-Rücktritts vertritt, bezog sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und schwieg.
Als letzten Strohhalm zitierte der Staatsanwalt dann aus dem jüngsten Grässlin-Buch über Daimler, "Abgewirtschaftet".
Darin hatte der Autor Schweinle konkret als seinen Informanten benannt. Als Reaktion darauf kündigte Schweinle-Anwalt
Volker Hohbach neue Beweisanträge an. Die Fortsetzung folgt am 29. Oktober.