PRESSEINFORMATION VOM 3. DEZEMBER 2014
Die Beschreibung dieser knallharten Diktatur, mit der Jürgen Grässlins 87. Lesung aus seinem Bestseller »Schwarzbuch Waffenhandel« begann, klang gar nicht gut. Auf Religionswechsel weg vom Islam steht dort die Todesstrafe. Kaum vorstellbar, dass Deutschland dorthin Waffen liefern könnte. Doch, in großer Menge, das Land heißt Saudi-Arabien.
Durch was kommen im Krieg die meisten Menschen ums Leben – sind es Bomben, Handgranaten, Landminen? Nein, sagt Grässlin: »Die Massenvernichtungswaffe der Welt ist das Gewehr.« Schusswaffen sind langlebig, vagabundieren weiter, werden an befreundete Staaten geliefert, verkauft, erbeutet. Die höchste Waffendichte der Welt befinde sich im Nahen Osten. »Das Schlimmste, was man tun kann, ist Waffen in diese Region zu liefern«, sagt Grässlin, »völkerrechtswidrig und trotz UN-Embargo.«
Nach dem 11. September 2001, als Kanzler Schröder den USA die »uneingeschränkte Solidarität« versprach, haben sich die deutschen Waffenexporte plötzlich verfünffacht, ihren bislang höchsten Wert erreichten sie im Jahr 2010 mit offiziell 2,1 Milliarden Euro. Beim Waffenexport belegt Deutschland weltweit Platz 3, nach den USA und Russland. Bei der Lesung mit 50 Zuhörern, organisiert vom Bündnis »Globalisierungskritische Gespräche auf den Fildern«, nannte Grässlin Firmen und Namen. Firmen wie Daimler, auf deren Militärfahrzeuge sich im Geschäftsbericht und auf der »normalen« Homepage kein Hinweis findet. Namen wie Angela Merkel, die während des »Arabischen Frühlings« den Bürgern ein »wehrt euch« zurief und zugleich im Bundessicherheitsrat Waffen für die Diktatoren genehmigte. Namen wie Volker Kauder (CDU), der gegen die weltweite Christenverfolgung eintritt, bei dem sich zugleich aber die Oberndorfer Waffenschmiede Heckler & Koch für seine Unterstützung bei den Waffenexporten bedankt. Das G36-Sturmgewehr wird in Saudi-Arabien in Lizenz produziert – einem Land, dem ein vorderer Platz auf dem jährlichen Weltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerks Open Doors stets sicher ist.
Zu den Standardlügen der Rüstungsindustrie gehört für Grässlin der Verweis auf die Arbeitsplätze. Laut eigenem Verband gehe es lediglich um 100.000, zuzüglich Zulieferer. »Das ist keine Schlüsselindustrie.« Auch das Argument »wenn wir nicht liefern, liefern die anderen« lässt Grässlin nicht gelten. »Es ist umgekehrt: Wenn die anderen nicht liefern, etwa die Niederlande an Indonesien, dann liefern wir.« Über 150.000 Militärfahrzeuge hat Daimler laut eigenen Angaben an über 80 Armeen geliefert, darunter laut Grässlin solche »in den schlimmsten Diktaturen der Welt«. Als Deutschland einst 4000 Militärfahrzeuge an den Irak und 4000 an den Iran lieferte, argumentierte Kanzler Kohl, dies diene »zur Stabilisierung des Gleichgewichts in der Golfregion«. EADS, heute Airbus Group, schaffte es laut Grässlin in Libyen, gleichzeitig die Diktatur, die Rebellen und die bombardierende NATO zu beliefern. Warum werden Waffen exportiert? »Profit, Profit. Profit. Mit Menschenrechten hat das nichts zu tun. Aber oft mit Korruption.«
Oft schickten die Deutschen keine Soldaten, seien aber in den weltweiten Kriegen mit Munition und Waffen vertreten. Mancher Flüchtling, der in Deutschland ankommt, ist in seiner Heimat vor deutschen Waffen geflohen. 35.000 Kurden, erfuhr Grässlin von türkischen Soldaten vor Ort, hätten diese im Bürgerkrieg getötet, in vier von fünf Fällen kam der Tod aus Deutschland, aus einem G3-Gewehr von Heckler & Koch, es wurde in der Türkei in Lizenz gefertigt.
Die Meinungsumfragen schwanken, EMNID kam 2011 auf 78 Prozent Ablehnung von Rüstungsexporten durch die deutsche Bevölkerung. Was können die Bürger tun, wenn die Politiker nicht auf sie hören – auch wenn ihre Worte, wie bei Sigmar Gabriel (SPD) oder bei manchen Grünen, in der Opposition noch ganz anders klangen? Sehr viel, sagt Grässlin. Sie könnten sich bei der »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel« engagieren, einem Bündnis von 140 Organisationen unter Schirmherrschaft von Margot Käßmann. Sie könnten ihre Bank verlassen, wenn diese mit ihrem Geld Rüstungsprojekte finanziere. Und sie könnten Aktionär werden. Schon eine einzige Aktie genüge, um bei einer Hauptversammlung kritische Fragen zu stellen.
* www.aufschrei-waffenhandel.de
* Jürgen Grässlin, Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient. Heyne, 624 Seiten, 14,99 Euro, eBook 11,99 Euro.
Foto (Dietrich) vom Vortrag in Nellingen anbei.
Kontakt: Adalbert Kuhn, keb Katholische Erwachsenenbildung, Tel. 0711/38 21 74, info@keb-esslingen.de
Kontakt für die Pressemitteilung: Peter Dietrich, Freier Journalist, Tel. 07153/894 07 15,
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