Onlinebericht »Oberndorfer Waffenschmiede.
Erneut Ermittlungen zu Skandal-Sturmgewehr?«
in SWR Landesschau vom 29.06.2015



Oberndorfer Waffenschmiede Erneut Ermittlungen zu Skandal-Sturmgewehr?

In der Affäre um das umstrittene Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch prüft die Staatsanwaltschaft Rottweil, ob Ermittlungen wegen Betrugsverdachts wieder aufgenommen werden.

[Foto] Deutsche G36-Sturmgewehre

2011 war ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts gegen den Hersteller Heckler & Koch eingestellt worden. Nun könnten die Ermittlungen wieder aufgenommen werden. Allerdings habe nicht - wie die »Bild am Sonntag« berichtete - das Verteidigungsministerium die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil gegenüber dem SWR.

Anlass sei vielmehr eine Strafanzeige zweier Privatpersonen. Das Bundesverteidigungsministerium habe aber »Kontakt aufgenommen und die Zusammenarbeit angeboten.«

Strafanzeige von Rüstungskritikern

Nach SWR-Recherchen stammt die Strafanzeige, die jetzt die Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens von 2011 zur Folge haben könnte, von den beiden Rüstungskritikern Jürgen Grässlin und Holger Rothbauer. Sie lautet im Zusammenhang mit den G36-Lieferungen auf Betrugsverdacht in einem besonders schweren Fall und sie richtet sich namentlich gegen die Heckler & Koch-Verantwortlichen Andreas Heeschen und Martin Newton.

Laut dem Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer liegt Betrugsverdacht vor, weil ein Gewehr mit genauer Treffsicherheit zum vollen Preis an den Bund verkauft worden sei, obwohl die Firma von Anfang an gewusst habe, dass es Probleme mit der Zielgenauigkeit gebe. Dass der Hersteller das von Anfang an gewusst habe und also eine bewusste Täuschung vorliege, diese Behauptung stützt Rothbauer auf geheime Unterlagen, die dem SWR und dem Bayerischen Rundfunk vorlägen. Daraus gehe hervor, dass ein Gespräch bei Heckler stattgefunden habe, bei dem namentlich auch die angezeigten Personen anwesend gewesen seien. Sie hätten genau über diese Thematik gesprochen, wie sie dieses Defizit am G36 angehen sollten. »Man hat sich eben zum Schweigen, zum Weiter-So entschieden.«

Verjährungsfrist möglicherweise nicht abgelaufen

Der Sprecher der Staatsanwalt Rottweil will erst die Akten von 2011 gründlich studieren, sagt jetzt aber schon, dass es auch im damaligen Ermittlungsverfahren aufgrund einer anonymen Anzeige um angebliche Mängel beim G36 gegangen sei. Die Ermittlungen seien damals aufgrund von »Verfolgungsverjährung« eingestellt worden. Rothbauer hält dagegen, dass von einer Verjährung keine Rede sein könne. Es habe bis heute 51 Nachfolgeaufträge für G36-Lieferungen gegeben, bis ins Jahr 2014 hinein.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Zivilprozess, der im September 2011 vor einer Kammer des Landgerichts Rottweil stattgefunden hat. Damals klagte Ernst Mauch, der bis 2005 Geschäftsführer bei Heckler & Koch gewesen war, gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, weil der die Zahlung seiner Betriebsrente eingestellt hatte. Der Waffenhersteller hatte Mauch Rufschädigung vorgeworfen. Er soll in der Öffentlichkeit die Qualität der Heckler & Koch-Waffen in Frage gestellt haben.

Das Beschaffungsamt der Bundeswehr will jetzt Schadensersatz fordern und hat nach dem Bericht der »Bild am Sonntag« am 10. Juni eine Mängelrüge gegenüber Heckler & Koch geltend gemacht. Das Unternehmen hat dieser widersprochen.

Heckler & Koch weist Ersatzansprüche zurück

Die vom Ausrüstungsamt der Bundeswehr behaupteten Sachmängel seien unbegründet, heißt es in einer am Montagnachmittag veröffentlichten schriftlichen Stellungnahme. Das Gewehr entspreche in allen gelieferten Versionen den vertraglichen Anforderungen. Interne Untersuchungen hätten auch keinerlei Anhaltspunkte für den Betrugsvorwurf ergeben, der in der neuerlichen Strafanzeige erhoben wird.

Stand: 29.6.2015, 16.15 Uhr

http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/suedbaden/oberndorfer-waffenschmiede-ermittlungen-zu-skandal-sturmgewehr/-/id=1552/did=15747570/nid=1552/5m8mfd/