Laudatio von JG zur Verleihung des
Bertha-von-Suttner-Kunst- und Medienpreises 2008
an »WhyWar.at« in der Kategorie »Kunst & Aktion«
am 07.02.2009 im Ökohaus Frankfurt



Laudatio von JG zur Verleihung des
Bertha-von-Suttner-Kunst- und Medienpreises 2008
an »WhyWar.at«

Sehr geehrte Hanna Westmann, sehr geehrter Hans Peter Graß,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde des FriedensBüros Salzburg,

mir ist es eine Freude, Ihnen als Initiatoren von WhyWar.at im Namen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und des Privaten Friedensinstituts21 e.V. den Bertha-von-Suttner-Kunst- und Medienpreis 2008 in der Kategorie »Kunst & Aktion« verleihen zu dürfen.

Das FriedensBüro Salzburg, das die Online-Plattform WhyWar.at in die Ausschreibung zum Bertha-von-Suttner-Preis eingebracht hat und heute verliehen bekommt, versteht sich »als eine Drehscheibe für zahlreiche Bildungsangebote zur zivilen Konfliktbearbeitung sowie ein Treffpunkt für Menschen, die sich gemeinsam gegen den Krieg, für sozialen und globalen Frieden und Gerechtigkeit engagieren«.

Mit der Website und den damit verbundenen Projekten und Workshops bietet das Salzburger Friedensbüro Jugendlichen die Möglichkeit zur kritischen und konstruktiven Auseinandersetzung mit Krieg. Die Website www.whywar.at vermittelt differenziertes Wissen über die Ursachen, Inhalte und Hintergründe von Krieg. Sie animiert Jugendliche zur kritischen Stellungnahme, zur Reflektion und zur notwendigen Einmischung. Dankenswerter Weise zeigt sie darüber hinaus Lösungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen auf.

Die friedenspädagogische Tätigkeit von WhyWar.at steht unter dem Leitmotto »Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg« des deutsch-jüdischen Philosophen, Literaturkritikers, Gesellschaftstheoretikers und Übersetzers Walter Benjamin.

Bertha von Suttner - Preisträger
JG verleiht den Bertha-von-Suttner-Preis
an Hanna Westmann und Hans Peter Graß
vom FriedensBüro Salzburg

Aber sollen Jugendliche überhaupt vom Krieg reden?

Fragt man Eltern, dann erhält man zuweilen die Antwort, dass Krieg und die unweigerlich damit verbundenen Bilder menschlicher Opfer – in der Militärsprache verharmlosend und irreführend »Kollateralschäden« genannt – für ihre Kinder unzumutbar seien. Überhaupt sei das Thema »Krieg« zu komplex, um es ihren Kindern nahe zu bringen. Erfahrungsgemäß aber stehen die meisten Eltern und auch Pädagoginnen und Pädagogen der schulischen Aufarbeitung von Fragen zu Krieg und Frieden offen gegenüber, wenn sie – wie bei WhyWar.at – im Unterricht kindgerecht aufgearbeitet werden.

Fragt man Jugendliche selbst, so zeigen diese durchaus reges Interesse an der Thematik »Krieg«. Kein Wunder, denn – wie WhyWar.at zu Recht feststellt – sind »Kriege allgegenwärtig. Ob in den Nachrichten, in Filmen oder Videospielen: ständig werden wir mit Krieg und Bildern vom Krieg konfrontiert«. Denken wir beispielsweise an den Krieg im ehemaligen Jugoslawien, in Türkisch-Kurdistan, im Irak oder in Afghanistan. Sie alle haben dazu geführt, dass sich in unseren Schulklassen Flüchtlingskinder finden – junge Menschen, die von traumatisierenden Kriegserlebnissen in ihrer Heimat erzählen.

Jugendliche stellen spontan Fragen – und erhalten noch immer viel zu selten altersspezifische Antworten. WhyWar.at nimmt die Fragen der Jugendlichen ernst, greift sie auf und fokussiert sie gezielt auf sieben Schlüsselfragen:

Mit diesen Fragen steht WhyWar.at in bester Tradition der Namenspatronin des Kunst- und Medienpreises. Die in Prag geborene Bertha von Suttner lebte lange Jahre in Wien. Wir alle kennen ihren im Jahr 1889 veröffentlichten pazifistischen Roman »Die Waffen nieder!«, der sie zu einer der profiliertesten Repräsentantinnen der internationalen Friedensbewegung werden ließ – zumal sie am 10. Dezember 1905 als erste Frau den von ihr mit angeregten Friedensnobelpreis zugesprochen bekommen hat.

In ihrem Buch »Die Waffen nieder!« kritisierte Bertha von Suttner vehement das damals in den Schulen vermittelte Geschichtsbild: »Überhaupt, die Geschichte! Die ist, so wie sie der Jugend gelehrt wird, die Hauptquelle der Kriegsbewunderung. Da prägt sich schon dem Kindersinne ein, dass der Herr der Heerscharen unaufhörlich Schlachten anordnet… Gibt es denn einen schöneren Tod als den auf dem Felde der Ehre – eine edlere Unsterblichkeit als die des Helden? Das alles geht klar und einhellig aus allen Lehr- und Lesebüchern ‚für den Schulgebrauch’ hervor, wo nebst der eigentlichen Geschichte, die nur als eine lange Kette von Kriegsereignissen dargestellt wird, auch die verschiedenen Erzählungen und Gedichte immer nur von heldenmütigen Waffentaten zu berichten wissen.«

Geschichtsunterricht ist bis heute oft genug »eine lange Kette von Kriegsereignissen« geblieben. Nehmen wir die Ziele und Projekte von WhyWar.at ernst, dann müssen unsere Schulbücher umgeschrieben und Unterricht anders gestaltet werden: humanistisch, demokratisch, partizipierend, kriegskritisch und friedensstiftend.

Bertha von Suttner fährt in ihrer Kritik am damaligen Bildungswesen wie folgt fort. »Das gehört so zum patriotischen Erziehungssystem. Da aus jedem Schüler ein Vaterlandsverteidiger herangebildet werden soll, so muß doch schon des Kindes Begeisterung für diese seine erste Bürgerpflicht geweckt werden…« [#2]

Wieder wird deutlich, was Bertha von Suttner mit den heute zu ehrenden Friedensaktivistinnen und Friedenaktivisten aus Österreich verbindet. Geht es nach dem pädagogischen Konzept des Salzburger Friedensbüros, dann muss des Kindes Begeisterung für den Frieden, des Kindes Ablehnung gegen den Krieg bestärkt und in konkretes Handeln transformiert werden.

Pars pro toto sei an dieser Stelle der »Projektbericht WhyWar.at – Afghanistan« erwähnt. Begleitet von Mitarbeitern des Friedensbüros beleuchten die beteiligten Schülerinnen und Schüler in so genannten »Schülerinnen-Wikis« den Afghanistan-Krieg von verschiedensten Seiten. Letztlich entstehen Ideen zu Straßeninterviews, Anti-Kriegskarten und -Plakaten und ein gemeinsamer Aufruf, zudem werden Geldspenden für ein afghanisches Schulprojekt gesammelt. Bildung ist die beste Basis für zukünftigen Frieden – überall auf der Welt.

Viele weitere friedenspädagogische Projektideen und Modelle werden uns Hanna Westmann und Hans Peter Graß im Anschluss an diese Laudatio vorstellen, vorzüglich präsentiert finden sie sich auf besagter Website www.whywar.at.[#3]

Im Namen der DFG-VK und des Privaten Friedensinstituts21 danke ich WhyWar.at und biete gerne die Zusammenarbeit mit unserem PROJEKT FRIEDEN an – wobei ausdrücklich betont sei, dass die DFG-VK als pazifistische Organisation jegliche Form militärischer Intervention in Afghanistan und anderswo ablehnt.

Für die Zukunft wünschen wir den Friedensfreunden im FriedensBüro Salzburg weiterhin viel Erfolg und Zuspruch für ihre friedenspädagogische und friedenspolitische Arbeit. Wir erhoffen uns, dass der Bertha-von-Suttner-Kunst- und Medienpreis dazu beiträgt, WhyWar.at und damit das damit verbundene Friedenskonzept in Schulen und Jugendgruppen noch bekannter zu machen. Wenn es der Friedensbewegung gelingt, die kommende Generation für Frieden zu begeistern, rückt das Ende von Krieg näher.

Lassen Sie mich zum Schluss Walter Benjamins in WhyWar.at zitierten Gedanken weiterdenken: »Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg – der hinterfrage Krieg, der verabscheue Krieg, der entwickle friedenspädagogische Anti-Kriegsmodelle, der verwirkliche Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung und verhelfe damit dem Frieden auf allen Ebenen zum Durchbruch.«

Zweifelsohne müssen noch viele Schritte zur Abrüstung gegangen werden, ehe wir in einer friedlicheren Welt leben, in einer Welt ohne Waffen und Militär. Aber jeder Schritt – und WhyWar.at ist ein bedeutender Schritt auf diesem Weg – bringt uns diesem Ziel näher.


Vielen Dank

Quellen

#1 Website WhyWar.at
#2 Suttner, Bertha von: Die Waffen nieder!, Berlin 1990, S. 7
#3 FriedensBüro Salzburg: Projektbericht WhyWar.at – Afghanistan,
Sommersemester 2008, ohne Seitenangabe

JG mit Bertha von Suttner Preisplakat
JG vor dem Logo des Bertha-von-Suttner-Preises,
das auf der Basis des von ihm gemalten
Acrylgemäldes erstellt worden ist.

Kurzvita des Laudators

Jürgen Grässlin ist als Lehrer an einer Realschule in Freiburg tätig. Als Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.) entwickelt er das friedenspädagogische Konzept »PROJEKT FRIEDEN« für die Friedensarbeit an Schulen und in Jugendgruppen.
Laut Der Spiegel ist Grässlin »Deutschlands prominentester Rüstungsgegner«. Als Bestsellerautor hat er eine Vielzahl kritischer Sachbücher über die Rüstungs-, Militär- und Wirtschaftspolitik verfasst.

Kontakt: j.graesslin@gmx.de Homepage: www.juergengraesslin.com