Artikel »Kritische AktionärInnen:
Daimler/EADS-Streumunition verseucht 150 Fußballfelder
in wenigen Minuten« in ORL-Info 117, Mai 2006



Kritische AktionärInnen:
Daimler/EADS-Streumunition verseucht 150 Fußballfelder
in wenigen Minuten

Smart-Desaster, Arbeitsplatzvernichtung und Waffenproduktion - die Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) warfen der Führungsetage des Konzerns auf der diesjährigen Hauptversammlung am 12. April 2006 wirtschaftliches und ethisches Versagen vor und verweigerten deshalb dem Vorstand und dem Aufsichtsrat die Entlastung.

»Waffen erfahren«

Einen provokativen Kontrapunkt zum offiziellen Geschäftsbericht des Konzerns mit dem Titel »Werte erfahren« setzte der KADC mit seinem Schattenbericht 2006 unter dem Motto »Waffen erfahren«. Denn der Vorstand hat es trotz der wiederholten Aufforderungen der Kritischen AktionärInnen auch im Jahr 2005 versäumt, die Anteile (30,8 Prozent) am europäischen Rüstungsriesen European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) abzustoßen oder die Umstellung auf eine rein zivile Fertigung (Rüstungskonversion) in die Wege zu leiten. Über 3.500 Stück des Schattenberichtes wurden vor den Messehallen des ICC in Berlin an die 7.400 BesucherInnen der Hauptversammlung verteilt.

Rote Karte für Hilmar Kopper

In der Hauptversammlung zeigten die KADC-SprecherInnen während ihrer Redebeiträge dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper immer wieder die Rote Karte. »Hilmar Kopper ist neben den Ex-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp für Qualitätsminderung und Arbeitsplatzvernichtung bei Mercedes und für die Beteiligung an ethisch verwerflichen Rüstungsprojekten wie der völkerrechtswidrigen Streumunition verantwortlich. Darum muss er sofort zurücktreten!«, forderte der KADC-Rechtsexperte Holger Rothbauer unter dem breiten Beifall vieler AktionärInnen.

Französische Atomraketen

»Wer als hauptverantwortlicher Aktionär bei der EADS auch die Hauptverantwortung für die Entwicklung von französischen Atomraketen, die Produktion völkerrechtswidriger Streumunition und die Internetwerbung für die >Mine Flach Flach< trägt, muss sich nicht wundern, wenn potenzielle Kundinnen wie die >Tatort<-Kommissarin Ulrike Folkerts deshalb kein Auto der Marke Mercedes kaufen, UNICEF sich von Daimler nicht sponsern lässt und Ethikfonds Daimler-Aktien nicht aufnehmen«, bemerkte KADC-Sprecher Paul Russmann zum Imageschaden für die Marke Mercedes durch die Beteiligung von DaimlerChrysler an der EADS. Er appellierte an den neuen Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche: »Entrüsten Sie Daimler jetzt!«

Völkerrechtswidrige Streumunition

Auch der Raketenwerfer GMLRS gehört zur Produktpalette der Daimler/EADS-Beteiligung MBDA. Dieses Gerät kann innerhalb von wenigen Minuten einen Quadratkilometer mit 8.000 Stück Streumunition verseuchen. »Das entspricht einer Fläche von 150 Fußballfeldern. Ausgestattet mit einer hohen Blindgängerquote wirkt Streumunition ähnlich wie Minen: Ganze Landstriche werden unzugänglich, Landwirtschaft wird unmöglich - eine tickende Zeitbombe für die Bevölkerung. Streumunition verstößt gegen die Genfer Konvention, da diese wahllose Angriffe verbietet. Sowohl DaimlerChrysler als auch EADS haben den >United Nations Global Compact< unterzeichnet und sich damit zum Schutz der Menschenrechte verpflichtet. Deswegen müssen diese Unternehmen und auch ihre Tochterfirmen sämtliche Geschäftstätigkeit in Bezug auf geächtete Waffen wie Landminen und Streumunition sofort einstellen«, forderte der KADC-Rüstungsexperte und Autor Jürgen Grässlin.

Solidarität statt Konkurrenz

Gegen die geplante Vernichtung von insgesamt 14.500 Arbeitsplätzen protestierten in stummer, aber deutlich sichtbarer Form 28 DaimlerChrysler-Beschäftigte in der Hauptversammlung. Ihr Motto »Solidarität statt Konkurrenz« hatten sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Argentinien, Brasilien, Südafrika, den USA und Deutschland auf rote T-Shirts gedruckt. »Den sofortigen Stopp der Arbeitsplatzvernichtung zugunsten einer gerechten Arbeitszeitverteilung innerhalb der vorhanden Belegschaft«, verlangte KADC-Sozialexpertin Beate Winkler-Pedernera. »Denn mit immer weniger MitarbeiterInnen, aus denen immer mehr Leistungen herausgepresst wird, lässt sich keine Qualitätsoffensive starten.«

Halbierung des Flottenverbrauches

Der Verkehrsexperte des KADC, Alexander Dauensteiner, griff den Konzernvorstand an wegen seiner »kurzsichtigen Produktpolitik angesichts der verheerenden Auswirkungen des Treibhauseffektes und begrenzter Erdölvorräte. Zwar arbeitet der Konzern nach wie vor an der Entwicklung des Brennstoffzellen-Antriebs; dessen Markteinführung ist wegen des noch notwendigen Entwicklungsaufwands jedoch nicht vor 2012 zu erwarten. Brückentechnologien, wie die von Toyota erfolgreich verkauften effizienten Hybridantriebe, hat man viel zu lange keine Bedeutung beigemessen.« Vom Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche forderte Dauensteiner »die Marktreife für mindestens einen Pkw mit Erdgasantrieb für jede Baureihe und Marke und die Halbierung des Flottenverbrauchs bis 2012«.

Gutes Presseecho

Unsere Aktionen auf der Hauptversammlung und die beiden gut besuchten Pressekonferenzen der Kritischen AktionärInnen in Stuttgart und Berlin führten zu einem vielfältigen Echo in den Medien. Ein großer Erfolg war die Berichterstattung am Tag der Hauptversammlung in drei Ausgaben der ARD-Tagesschau. Hier wurden wir als Kritische AktionärInnen ausdrücklich benannt und unser Sprecher Alexander Dauensteiner kam zu Wort. Weitere Berichte gab es darüber hinaus u.a. in der SWR-Landesschau, im Deutschlandradio, in den Stuttgarter Nachrichten, der Stuttgarter Zeitung, in Neues Deutschland und in der tageszeitung. Finanziell unterstützt wurden die Aktivitäten vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED).

Paul Russmann

»Entrüstet Daimler«

Unter diesem Motto engagieren sich die von Ohne Rüstung Leben koordinierten Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) seit 1990 für Rüstungskonversion, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Denn DaimlerChrysler ist als Hauptaktionär der EADS einer der weltweit größten Waffenproduzenten. »Global Player« wie DaimlerChrysler entziehen sich schon angesichts ihrer Größe immer mehr dem Einfluss staatlicher Kontrollen und Regelungen. In diesem Zusammenhang verstehen sich nationale und international agierende Nichtregierungsorganisationen wie der KADC als eigenständige Kontrollinstanz.