Von Jürgen Grässlin
Wirtschaftskrise? Firmenzusammenbrüche? Massenentlassungen? Nichts von alledem kennzeichnet die wirtschaftliche Lage führender deutscher Rüstungskonzerne. In Zeiten allgemeiner Rezession laufen die Waffengeschäfte – dank einer überaus großzügigen Exportförderungspolitik der Bundesregierung und personell chronisch unterbesetzter Rüstungskontrollbehörden – wie geschmiert. In der Folge hat sich Deutschland, nach den USA und Russland, als Europameister endgültig auf Platz 3 der Weltwaffenexporteure etabliert. Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI dokumentierte, stiegen die deutschen Rüstungsausfuhren in den letzten fünf Jahren um rund 70 Prozent, der Weltmarktanteil am Waffenhandel konnte von sieben auf zehn Prozent ausgebaut werden.
Zu den »Verkaufsschlagern« zählen Panzer vom Typ Leopard-2A4, teilweise im Ausland in Lizenz gefertigte deutsche U-Boote des Typs 214, in Kooperationen produzierte Kampfhubschrauber, Militärjets, Tankflugzeuge und Drohnen sowie Sturmgewehre des Typs G36.
Daimler/EADS – Deutschlands führender Exporteur von Luftwaffensystemen
Bei der European Aeronautics Defence and Space Company (EADS) mit Verwaltungssitz im niederländischen Leiden hat sich Aufbruchsstimmung breit gemacht. Mit je 22,5 Prozent größte EADS-Anteilseigner sind der deutsche Automobil- und Rüstungsriese Daimler AG und Sogeade (Lagardère und die französische Staatsholding Sogepa). Die spanische Staatsholding SEPI hält 5,49 Prozent des Kapitals.
Bei ihren internationalen Kriegseinsätzen kämpfen die Streitkräfte Deutschlands, Frankreichs und Spaniens dementsprechend mit Waffen der EADS – doch nicht nur sie (siehe www.dfg-vk.de).
Die selbst gesetzte Zielvorgabe der EADS-Führung ist klar: »Insbesondere im Verteidigungsgeschäft« sollen die Verkäufe erhöht werden. EADS-Chairman Rüdiger Grube, mittlerweile Vorsitzender der Deutschen Bahn AG, jubelte über die »sehr positiven« Ergebnisse des Geschäftsjahres 2008. »Selbst in Krisenzeiten besteht in unserer sich wandelnden Welt stetiger Bedarf an Flugzeugen, Verteidigungs- und Sicherheitssystemen…«, heißt es im aktuellen Geschäftsbericht. Die EADS meldet »volle Auftragsbücher« und eine »starke Nachfrage nach Airbus-Tankflugzeugen«.
Die lange Liste von Erfolgsmeldungen basiert auf den Konzernbilanzen der EADS-Unternehmensbereiche: Airbus Military konnte den Umsatz 2008 auf 2,8 Milliarden € steigern und legte allein im letzten Geschäftsjahr beim Auftragseingang um 548 Prozent (!) zu. Die EADS unterzeichnete 2008 einen Vertrag über die Bereitstellung einer Tankerflotte für die britische Luftwaffe, ab 2011 sollen 14 weitere Tankflugzeuge in Dienst gestellt werden. Weitere Empfängerländer der A330 MRTT sind Australien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien. Der Gesamtauftragsbestand der Airbus-Tankflugzeuge umfasst mittlerweile ein Volumen von 23 Milliarden €. Weitere Bestellungen für mittelschwere Transportflugzeuge liegen für die US-Küstenwache und für die mexikanische Marine vor.
Die EADS-Tochter Eurocopter, weltweit führender Hubschrauberhersteller, erzielte seinen Umsatz zu 55 Prozent durch den Verkauf von Militärhelikoptern. Ende 2008 übergab die EADS North America die ersten 50 der insgesamt 123 bestellten leichten Mehrzweckhubschrauber des Typs UH-72A Lakota an die US-Army. Fast zeitgleich erteilte die brasilianische Regierung einem Industriekonsortium der EADS einen Auftrag in Rekordhöhe über 50 EC725-Helikopter. Gegenüber dem Vorjahr konnte Eurocopter 2008 den Umsatz um 8 Prozent auf 4,4 Milliarden €, den Profit, bei international tätigen Konzernen als EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern) ausgewiesen, um 39 Prozent auf 293 Millionen € steigern. Eurocopter lieferte 2008 »mehr Hubschrauber als je zuvor« aus. »In einem unsicheren Marktumfeld kann Eurocopter ein volles Auftragsbuch vorweisen«, verkündete das Unternehmen. Zudem werde, so die Prognose, »der militärische Markt weiter an Bedeutung gewinnen«.
Die EADS-Sparte Astrium, europäischer Spitzenreiter bei Raumfahrtprogrammen, erreichte einen Umsatzanteil von 35 Prozent durch militärische Produkte. Dabei konnten der Umsatz im Jahr 2008 um 21 Prozent auf 4,3 Milliarden €, der EBIT um 34 Prozent auf 174 Millionen € hochgeschraubt werden. Die neue Generation ballistischer Raketen vom Typ M51 befindet sich in der Endphase der Entwicklung für die französische U-Boot-Flotte. Damit ist die EADS das einzige europäische Unternehmen, das Trägersysteme für atomare Gefechtsköpfe fertigt.
Der Geschäftsbereich Verteidigung und Sicherheit hat »starke Ergebnisse erzielt«, was auch mit dem »Wachstum … im Exportgeschäft« begründet wird. Zu 97 Prozent militärisch, stieg der Umsatz um 5 Prozent auf 5,4 Milliarden €, der EBIT um 18 Prozent auf 345 Millionen €. Als einziger europäischer Hersteller ist die EADS in der Lage, unbemannte Luftfahrzeuge, in der Fachsprache Drohnen bzw. UAVs (Unmanned Aerial Vehicles) genannt, herzustellen. Neben den Lieferungen an die französischen Drohnenprogramme erfolgten zudem Exporte von Zieldrohnensystemen an die US-Army. Dass diese Drohnen beim Krieg in Afghanistan einsetzen, ist weithin bekannt.
Die Kriegsprofite der EADS werden in den kommenden Jahren exorbitant steigen, sobald der neue Militärtransporter A400M in Serie gehen wird. Mit vielen Verzögerungen verließ der erste der A400M im Sommer 2008 die Endmontage. Mit dem A400M lassen sich Soldaten und Kriegsgerät noch schneller und in größerer Zahl in Kriegsgebiete verlegen. Schon heute liegt die immens hohe Zahl von 192 Bestellungen des Transportfliegers von europäischen »Startkunden«, Südafrika und Malaysia vor.
Heckler & Koch – Deutschlands führender Exporteur von Kleinwaffen
Was die Stuttgarter Daimler AG in der Fertigung von Großwaffensystemen ist, das ist die Heckler & Koch GmbH (H&K) bei den so genannten »Kleinwaffen«, nämlich Marktführer in Deutschland. Bei derzeit rund 40 stattfindenden Kriegen und Bürgerkriegen avancierte Heckler & Koch sogar zum größten europäischen Pistolen- und Gewehrhersteller.
Der Jahresumsatz des in Oberndorf am Neckar gelegenen mittelständischen Unternehmens ist im Geschäftsjahr 2008 auf die Rekordsumme von 185,7 Millionen Euro angewachsen, wohlgemerkt um 25 Prozent in einem Jahr. Durch Waffenverkäufe konnte der Nettogewinn konnte auf 12,8 Millionen Euro gesteigert werden – was mehr als einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr gleichkommt. Zum Vergleich: Im Geschäftsjahr 2006 hatte H&K sogar noch einen Umsatzeinbruch und Verluste in Höhe von 9,3 Millionen Euro verbucht.
Die erteilten und erwarteten Aufträge summieren sich auf rund 700 Millionen Euro. Angesichts dieser Auftragslage sieht H&K-Mehrheitsgesellschafter und Aufsichtsratschef Andreas Heeschen in den für das Jahr 2011 anstehenden Rückzahlungen einer Anleihe von über 120 Millionen Euro »kein großes Problem«. Im Geschäftsjahr 2009 stehen weitere profitable Neuaufträge für den »hungrigen Waffenhersteller« an, so die Financial Times Deutschland.
Mehr und mehr entpuppt sich das Sturmgewehr G36, Standardwaffe der Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr, als weltweiter Verkaufsschlager. Vor zehn Jahren bereits wurde eine erste Lizenz an Spanien vergeben, inzwischen eine zweite an Mexiko und eine dritte in den Mittleren Osten – was noch einiges Aufsehen erregen wird. Längst schießen Bundespolizeien, Präsidentenwachen und militärische Spezialeinheiten offenbar in mehr als 35 Staaten mit den unterschiedlichen G36-Typen, beispielsweise in Brasilien, Großbritannien, Indonesien, Malaysia, Mexiko, den Philippinen, Singapur, Thailand und den USA. Der illegale G36-Export in das Kriegsland Georgien ist offiziell noch immer nicht geklärt.
Nur wenige Länder stehen auf der bundesdeutschen Embargoliste, ansonsten darf schier grenzenlos exportiert werden. Angesichts der Wirtschaftskrise setzt die Bundesregierung auf Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie, die Menschenrechtslage im Empfängerland spielt de facto keine Rolle. Vieles spricht dafür, dass das G36 auf dem Weltmarkt zum Sturmgewehr Nummer 1 aufsteigen wird. Kindersoldaten werden das Sturmgewehr aufgrund seines im Vergleich zum G3 verminderten Gewichts schätzen lernen.
Allein die Zahl der durch H&K-Waffen Getöteten beläuft sich seit der Firmengründung 1949 auf rund zwei Millionen Menschen, berechnet auf einem Weltmarktanteil von 10 bis 12 Prozent. Damit ist Heckler & Koch Deutschlands tödlichstes Unternehmen. Opferzahlen wie diese sind in den Firmenzentralen offenbar kein Thema, stattdessen können die Sektkorken knallen: Der allgemeinen Krise zum Trotz wurden die Produktionskapazitäten ausgebaut, die Beschäftigtenzahlen erhöht und die Rüstungsprofite gesteigert.
Rüstungsexporteure ächten!
Wo aber bleibt der Aufschrei einer Gesellschaft, die sich ethischen, moralischen und christlichen Werten verpflichtet fühlt? Wie geht es weiter nach der Bundestagswahl 2009, in deren Verlauf die Diskussion um Rüstungsexporte in Krisen- und Kriegsgebiete und damit die Beihilfe zum Völkermord nicht stattgefunden hat? Ansatzpunkte gibt es genug: Vom Mitmachen bei den Kampagnen »Wir kaufen keinen Mercedes: Boykottiert Rüstungsexporte!« (www.wir-kaufen-keinen-mercedes.de) und »60 Jahre Heckler & Koch: Kein Grund zum Feiern!« bis hin zur aktiven Unterstützung politischer Aktionen, wie der aktuellen »Birkacher Erklärung: Waffenexporte ächten!« der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (siehe www.rib-ev.de).
Neben den verantwortlichen Politikern und Rüstungsmanagern sind auch die Geldgeber zu ächten: Maßgeblich mitverantwortlich ist die Deutsche Bank AG. Als eine Art Hausbank von Heckler & Koch GmbH und langjähriger Anteilseigner der Daimler AG kontrolliert sie scharf – nicht die Menschenrechtslage der Waffenempfängerländer der von ihr finanzierten Unternehmen, sondern ihre eigenen kritischen Aktionäre. Auch oder gerade in der Krise gilt ein altbekannter Slogan mehr denn je: Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt!
Jürgen Grässlin
ist Buchautor, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des
RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.). Er verfasste er eine Vielzahl kritischer Sachbücher über die Rüstungs-, Militär- und Wirtschaftspolitik.
Kontakt: j.graesslin@gmx.de