Rüstungsgegner Jürgen Grässlin aus Freiburg liest in Aalen aus seinem »Schwarzbuch Waffenhandel«
Jürgen Grässlin gilt als einer der profiliertesten deutschen Rüstungsgegner. Zahlreiche Sachbücher zu diesem und anderen Themen hat er veröffentlicht. Momentan ist er mit seinem »Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient« auf Lesereise – am Freitag, 13. Dezember, in Aalen. SchwäPo-Redakteur Martin Simon hat vorab mit dem Pädagogen, Autor und Publizisten gesprochen.
[Potraitfoto] Jürgen Grässlin. (Foto: privat)
Herr Grässlin, Sie behaupten Deutschland sei der drittgrößte Waffenexporteur weltweit. Wie kommen Sie eigentlich an Ihr Material, an die Zahlen und Daten, die Sie dem Leser bieten?
Da gibt es mehrere Quellen. Man darf nicht vergessen, dass ich bereits seit rund 30 Jahren auf diesem Feld intensiv recherchiere und mir natürlich ein Netzwerk aufgebaut habe. Ich habe inzwischen Drähte, direkt in die betroffenen Firmen hinein. Da gibt es gar nicht wenige, die wollen nicht an Kriegen verdienen. Viele kündigen auch frustriert. Von diesen Leuten erhalte ich Material, das reicht von Werbeprospekten bis hin zu Verträgen. Und dann gibt es noch eine Flut von Bildern oder Material, auf das ich beim Recherchieren allgemein stoße.
Welche deutschen Hersteller sind im Spiel?
Nennen wir mal die Top-Five bei Großwaffen: EADS (European Aeronautic Defence and Space Company), Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann, Thyssen Krupp Marine Systems und Diehl in Nürnberg. Bei den Kleinwaffen ist Heckler-Koch ganz weit vorn.
Um was für Waffen geht es beim Rüstungsexport?
Da ist alles im Angebot. Panzer, Kanonen, Lenkflugkörper, schwere Waffen oder Gewehre, alles, was Sie sich denken können.
Wohin gehen diese Waffen?
Deutsche Rüstungsprodukte werden in alle Länder der Welt exportiert. Es gibt kaum Restriktionen. Nur gegen Länder, gegen die ein Waffenexportembargo verhängt worden ist, aber das sind ganz wenige.
Wer sind die Empfänger dieser Waffen?
Deutsche Gesetze schreiben vor, dass der Abnehmer stets ein Staat sein muss. In 98 Prozent der Fälle ist das auch so. Es wird dabei stets erklärt, es gebe die vorgeschriebenen Endverbrauchserklärungen für diese Waffen. Mag sein, aber in den belieferten Staaten werden die Waffen dann munter weiterverkauft.
Die Rüstungsindustrie verdient gut?
Ja, und nicht selten doppelt und dreifach. In Libyen beispielsweise gingen deutsche Waffen an den Machthaber Gaddafi, an dessen Gegner und an die NATO.
Wie viel Geld ist im Rüstungsspiel?
Da gibt es mehrere Zahlen. Die Bundesregierung spricht von einem jährlichen Rüstungsexportvolumen, das zwischen 946 Millionen Euro und 2,1 Milliarden Euro liegt – je nachdem, was man dazuzählt. Die deutschen Großbanken sprechen im Zusammenhang mit Anleihen und Renditen in der deutschen Rüstungsindustrie dagegen von rund sechs Milliarden Euro.
Welche Rolle spielt die Politik?
Nach Artikel 26 des Grundgesetzes verantwortet die Bundesregierung und damit die Kanzlerin den Waffenhandel. Jedoch wird hier die Demokratie ausgehebelt, weil am Bundestag vorbei entschieden wird. Die Entscheidung trifft nämlich der geheim tagende Bundessicherheitsrat und das Volk erfährt erst hinterher, was gemacht wurde.
Wie wollen Sie gegensteuern?
Im Jahre 2011 haben wir die »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel« gegründet und wurden geradezu überrannt. Schirmherrin ist die Theologin Margot Käßmann. Rund 120 Organisationen machen inzwischen mit und wir freuen uns über jeden, der dazukommt.
Was bietet ihr aktuelles Buch?
Unsere Politiker beschwören den Frieden und betreiben den Krieg. Deutschland schreckt vor Lieferungen an verbrecherische Regime und Diktatoren nicht zurück. Im »Schwarzbuch Waffenhandel« decke ich auf, wer die Profiteure dieser Kriegswirtschaft sind, ich nenne Industrieunternehmen beim Namen, zeige, wer in der Politik die Exporte genehmigt und wie die Banken das alles finanzieren. Zum ersten Mal gibt es Täterprofile. Ich liefere ein Ranking der Top Ten der Verantwortlichen in Politik und Rüstungsindustrie.
Und wer sind das?
Bei den Politikern liegt Kanzlerin Angela Merkel ganz oben und bei den Top-Managern Andreas Heeschen von Heckler und Koch.
Jürgen Grässlin liest auf Einladung von evangelischer und katholischer Erwachsenenbildung, attac-Gruppe Aalen und katholischer Betriebsseelsorge Ostwürttemberg am Freitag, 13. Dezember, ab 19.30 Uhr, im C-Punkt, Haus der Katholischen Kirche, Weidenfelderstraße 12. Eintritt: sieben Euro.