Interview
[FOTO JG] Jürgen Grässlin, Rüstungskritiker Bild: dpa
Das Thema: Rüstungsexporte Im Interview: Jürgen Grässlin, Rüstungskritiker Zur Person: Autor Jürgen Grässlin (Schwarzbuch Waffenhandel) ist Träger des Aachener Friedenspreises.
Frage: Herr Grässlin, in welchem Maß wird die christliche Weihnachtsbotschaft vom Frieden auf Erden in diesem Jahr Realität?
Grässlin: Oft genug bleibt das ein frommer Wunsch – Weihnachten ist für viele Menschen leider ein Fest des Unfriedens. Syrien ist dafür ein Beispiel unter vielen. Rund um den Globus toben 24 Kriege, so wie seit Jahrzehnten in Somalia. Überall kommen russische Kalaschnikows, US-amerikanische M16-Gewehre und das G3 aus Deutschland zum Einsatz. Das G3 wurde von Heckler & Koch produziert sowie in mindestens 15 Lizenzstätten weltweit. Nach 1949 wurden allein mit Gewehren dieser Firma mehr als zwei Millionen Menschen getötet. Das sind jeden Tag durchschnittlich 114 getötete Menschen – auch in der Weihnachtszeit. Mit den Exporten des neuen H&K-Sturmgewehrs G36 droht sich dieses Szenario auszuweiten.
Frage: Angeblich werden deutsche Rüstungsexporte streng kontrolliert. Warum passiert es trotzdem, dass Waffen aus deutscher Herstellung in den Krisengebieten auftauchen?
Grässlin: Nehmen Sie das Beispiel Afghanistan. Da sehen sich Bundeswehr-Soldaten dem Beschuss durch Taliban mit G3-Gewehren ausgesetzt. Diese werden im benachbarten Pakistan in deutscher Lizenz nachgebaut.
Frage: Wenn Länder wie Pakistan solche Waffen produzieren dürfen – was nützt dann die Forderung von Altkanzler Helmut Schmidt, die deutschen Rüstungsexporte zu bremsen?
Grässlin: Lizenzen kann man zurücknehmen, wenn die Produzenten gegen Endverbleibserklärungen verstoßen. Aber faktisch hat dies bislang keine Bundesregierung getan. Und zu Zeiten der rot-grünen Koalition wurde der Waffenhandel von 2002 bis 2005 gar verfünffacht.
Frage: Laut dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung und den von den beiden großen Kirchen vorgelegten Daten hat sich an dem grundsätzlichen Problem wenig geändert.
Grässlin: Die realen Waffenexporte sind von 2,1 Milliarden Euro 2010 auf 946 Millionen Euro 2012 gesunken. Zugleich aber hat die Bundesregierung bei Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen für die kommenden Jahre Waffentransfers im Wert von rund 8,87 Milliarden Euro genehmigt. Die realen Exporte werden damit wieder eklatant ansteigen.
http://www.nwzonline.de/interview/rund-um-den-globus-toben-24-kriege_a_11,5,138090187.html