Internetbericht »Meinungsfreiheit von Aktionären gestärkt«
in net-tribune vom 26.09.2009



Meinungsfreiheit von Aktionären gestärkt

Karlsruhe - Der Bundesgerichtshof hat die Meinungsfreiheit kritischer Aktionäre gestärkt. Nach einem Urteil vom Dienstag durfte Daimler-Aktionär Jürgen Grässlin in einem Fernseh-Interview Zweifel äußern, dass der vorzeitige Rücktritt des früheren Vorstandschefs Jürgen Schrempp immer [Aussage für mich – trotz des positiven BGH-Urteils – erst dann wiederholbar, wenn auch die Hamburger Justiz ihre Urteile aufgehoben hat!] gewesen sei. Auch seine Aussage, unter der Ägide Schrempps seien »die Geschäfte nicht immer […]« gewesen, war vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Damit scheiterten Daimler und Schrempp mit ihrer Unterlassungsklage in letzter Instanz. Vor dem Oberlandesgericht Hamburg hatten sie den Prozess gegen Grässlin noch gewonnen. Das Gericht urteilte damals, der Aktionär habe in seinem Interview sowohl die Persönlichkeitsrechte Schrempps als auch die Unternehmensrechte des Konzerns verletzt. Der BGH beanstandete dies jetzt als rechtsfehlerhaft.

Sowohl die Zweifel am […] Rücktritt Schrempps als auch die Kritik an dessen Geschäftstätigkeit seien Meinungsäußerungen gewesen, keine Tatsachenbehauptungen, erklärte der BGH. Es handele sich auch nicht um Schmähkritik. Zudem sei der Rücktritt Schrempps von erheblichem öffentlichen Interesse gewesen. Würde man solche Äußerungen am Tag des Ereignisses unterbinden, wäre eine öffentliche Diskussion aktueller Ereignisse in einer Weise erschwert, die mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung unvereinbar wäre, erklärte der BGH. Schrempp hatte im Juli 2005 überraschend sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Konzern zum Jahresende bekanntgegeben.

Grässlin, seit 1991 Sprecher der Initiative Kritische Aktionäre, hat mehrere Bücher über Daimler verfasst und ist in zahlreiche Prozesse mit dem Konzern verwickelt. Grässlin begrüßte die Karlsruher Entscheidung als Sieg der Meinungsfreiheit. Mit dem Urteil sei auch ein großer finanzieller Druck von ihm genommen. Da der Daimler-Konzern den Prozess verlor, muss er nun die Kosten tragen.