[Foto Richter Tillmanns im Gerichtssaal]
Richter Tillmanns kündigt den Vergleich zwischen den Prozessbeteiligten an.
Foto: privat
FREIBURG/OBERNDORF (him) – Vor dem Landesarbeitsgericht in Freiburg wurde am Montag erneut die Kündigungsschutzklage von zwei Mitarbeitern des Oberndorfer Waffenherstellers Heckler und Koch (HK) verhandelt. Im Zusammenhang mit mutmaßlich illegalen Waffenexporten nach Mexiko hatte das Unternehmen einen leitenden Mitarbeiter und eine Sachbearbeiterin fristlos entlassen.
Beide Seiten einigten sich schließlich auf einen Vergleich, den der Vorsitzende Richter, Christoph Tillmanns, in elf Punkten zusammenfasste. Demnach wird die Kündigung zurückgezogen, bleiben die beiden aber freigestellt. HK zahlt die Gehälter weiter, bis ein Strafprozess geklärt hat, ob den beiden strafbares Verhalten vorzuwerfen ist. Außerdem übernimmt HK die Anwaltskosten der beiden Entlassenen.
Hintergrund des Verfahrens ist eine Strafanzeige, die der Vorsitzende des Freiburger RüstungsInformationsBüros Jürgen Grässlin vor gut vier Jahren erstattet hatte. Er hatte herausgefunden, dass etliche tausend moderne G-36-Gewehre - die Zahlenangaben schwanken zwischen etwa 8700 und 9500 – von HK nach Mexiko geliefert wurden, von denen etwa die Hälfte in vier mexikanischen Unruheprovinzen gelandet waren. Die Bundesregierung hatte den Export zwar genehmigt, allerdings diese vier Unruheprovinzen ausdrücklich ausgeschlossen.
HK hatte lange jedes Fehlverhalten bestritten, dann aber am 24. April 2013 überraschend per Aushang im Unternehmen mitgeteilt, zwei Mitarbeiter, Bereichsleiter Axel H. und Sachbearbeiterin Marianne B., seien für die Exporte verantwortlich und würden fristlos entlassen.
[Foto Mitteilung]
In der »Mitteilung der Geschäftsleitung«, die die NRWZdamals als erstes Medium veröffentlichte, erklärten die Geschäftsführer Niels Ihloff und Martin Lemperle, es bestehe »zur Überzeugung der Geschäftsführung der dringende Tatverdacht gegen zwei langjährige Mitarbeiter, Waffenlieferungen in nicht genehmigungsfähige mexikanische Bundesstaaten im Zusammenwirken mit einem Handelsvertreter in Mexiko veranlasst zu haben. Dies erfolgte durch die Mitarbeiter eigenmächtig, ohne Wissen und Wollen anderer Personen im Unternehmen.«
Das hatten die beiden nicht auf sich sitzen lassen wollen und gegen ihre Kündigung geklagt. In einem ersten Kündigungsschutzverfahren hatte das Arbeitsgericht Freiburg im Januar 2014 den beiden Entlassenen denn auch Recht gegeben und das Unternehmen verpflichtet, die beiden wieder einzustellen. In der Verhandlung in Villingen-Schwenningen vor einem Jahr hatten sich die Anwälte der Firma, der Kläger, aber auch das Gericht immer wieder auf bisher vertrauliche, interne Papiere bezogen.
So war etwa herausgekommen, dass der damalige Verantwortliche für Exportgenehmigungen, Peter Beyerle, und der Vertriebsmann Axel H. immer wieder Informationen darüber austauschten, welche mexikanischen Provinzen wohl keine Exportgenehmigung für die G 36-Gewehre zum Stückpreis von etwa 2500 Euro von der Bundesregierung erhalten würden. Die beiden hatten ihre Büros bei HK nebeneinander. Beyerle war früher Landgerichtspräsident in Rottweil (dort ziert sein Porträt noch eine Wand) und war nach seiner Pensionierung zu HK gewechselt. Dort rückte er nach einiger Zeit in die Geschäftsführung auf.
[Foto Beyerle-Porträt]
Beyerle hatte Mitte August 2010 die Vorwürfe noch als »absurd« bezeichnet, die zum Teil »wider besseres Wissen« erhoben würden. Der mexikanische Markt sei im Übrigen für sein Unternehmen »völlig unbedeutend«, wie er der NRWZversicherte. Er verließ das Unternehmen im Dezember 2010 kurz nach seinen 70.Geburtstag, denn er habe »eine etwas andere Lebensplanung« und das Gefühl, es sei »Zeit aufzuhören.«
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom Januar, wonach das Unternehmen Axel H. und Melanie B. weiter beschäftigen muss, hatte HK Berufung eingelegt. Zwei Verhandlungstermine im Sommer und im Oktober waren nicht zustande gekommen. In der Berufungsverhandlung am Montag schließlich haben das Unternehmen und die beiden Kläger erneut die Geschäfte mit Mexiko ausführlich geschildert. Der Anwalt des Unternehmens hat dabei selbst von einer Verletzung des Kriegswaffenkontrollgesetzes gesprochen, die Schuld aber ausschließlich bei fünf Mitarbeitern gesehen. Von diesen hätten drei das Unternehmen verlassen, deshalb habe HK gegen die beiden Verbliebenen vorgehen müssen.
Deutlich war in der Verhandlung auch geworden, dass die sogenannten Endverbleibserklärungen, die die mexikanischen Behörden ausstellten, faktisch bedeutungslos waren. Die Bundesregierung verlangt diese Erklärungen, um zu verhindern, dass Waffen in Krisengebiete gelangen. Die Bundesregierung hatte den Export von G 36 Gewehren nach Mexiko zwar genehmigt, aber vier Unruheprovinzen ausgenommen. Der HK-Vertreter in Mexiko, Markus B., habe über gute Verbindungen ins mexikanische Verteidigungsministerium verfügt und so innerhalb von einem Tag neue Endverbleibserklärungen für nicht betroffene Bundesstaaten besorgt, war in der Verhandlung zu erfahren. Der Anwalt von HK, Volker Teigelkötter, sprach in diesem Zusammenhang von einem »kriminellen Trio«: den beiden in Oberndorf Entlassenen und dem Vertreter in Mexiko.
Klar wurde auch, dass die HK-Geschäftsleitung weiterhin versucht, die gesamte Verantwortung für die Mexiko-Geschäfte auf einen engen Personenkreis von fünf Mitarbeitern zu beschränken. Grässlin ist im Gespräch mit der NRWZallerdings überzeugt, dass sich weit mehr als fünf Personen in Stuttgart auf der Anklagebank finden werden. Die Rechtsabteilung und die Vertriebsabteilung in Oberndorf und die mexikanische Vertretung seien alle in den Fall verwickelt gewesen: »Ich schätze, das wird mehr als zehn Leute treffen.« Die Staatsanwaltschaft Stuttgart will sich bislang nicht äußern, gegen wie viele Leute sie ermittelt. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Claudia Krauth sprach auf Nachfrage der NRWZvage von »mehr als zwei Personen." Sicher ist nur, dass gegen Axel H. und Melanie B. ermittelt wird.
Der Vorsitzende Richter Tillmanns verkündete am Montagabend den elf Punkte umfassenden Vergleich. Dieser sieht unter anderem vor, dass gegen die beiden Geschaßten bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens in Stuttgart keine weiteren außerordentlichen Kündigungen ausgesprochen werden. Außerdem bleiben sie bis dahin freigestellt und sie werden entsprechend der Entgeltfortzahlungsregeln von HK bezahlt. Außerdem übernimmt das Unternehmen ihre Anwaltskosten, die bisher schon eine viertel Million Euro betragen. Bei einer Verurteilung würden auch die Kündigungen, wirksam, andernfalls müsste HK die beiden wieder einstellen.