Internetbericht »Sturmgewehr G36.
Ministerium schaltet Staatsanwaltschaft ein«
in Bayerischer Rundfunk vom 28.06.2015



Sturmgewehr G36
Ministerium schaltet Staatsanwaltschaft ein

Die Recherchen von BR und SWR zum Sturmgewehr G36 hatten bereits einen Rechtsanwalt zu einer Strafanzeige veranlasst. Jetzt hat auch das Verteidigungsministerium die Staatsanwaltschaft gegen Heckler & Koch eingeschaltet. Das wäre das erste Mal, dass das Ministerium gegen den Waffenhersteller vorgeht.

[Foto] Anfang Juni hatte der Anwalt Holger Rothbauer zusammen mit dem Rüstungsgegner Jürgen Grässlin zwei Strafanzeigen gestellt – eine bei der Staatsanwaltschaft in Rottweil auf Betrug in besonders schwerem Fall und eine zweite bei der Staatsanwaltschaft in Bonn wegen des Verdachts der besonders schweren Untreue. Denn hier sei mit öffentlichen Geldern Schaden angerichtet worden.

Teamführer lehnt Verwendung von G36 schon 2008 ab

Der Grund: Recherchen von BR und SWR hatten aufgedeckt, dass schon im Januar 2011 eine anonyme Anzeige vorlag, die Mängel der Gewehre darlegte. Zudem musste der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière schon im März 2012 über die Missstände informiert gewesen sein. Bundeswehrintern waren die Mängel sogar schon länger bekannt. Ein Teamführer hatte nach einem Afghanistaneinsatz 2008 sogar die Verwendung der Waffe G36 abgelehnt. Er wollte die Verantwortung nicht mehr übernehmen. Trotzdem lief die Kooperation weiter. Das Verteidigungsministerium bestellte, Heckler & Koch lieferte.

Verdacht auf Betrug

Jetzt hat sich erstmals das Verteidigungsministerium gegen den Waffenhersteller gewandt und die Staatsanwaltschaft gegen Heckler & Koch eingeschaltet. Zuständig ist erneut die Staatsanwaltschaft in Rottweil, die schon 2011 nach dem anonymen Hinweis wegen Betrugs ermittelte, das Verfahren aber wegen Verjährung einstellte.

»Wir stehen im Kontakt mit dem Verteidigungsministerium«, bestätigte Frank Grundke, Sprecher der Rottweiler Staatsanwaltschaft. »Wir haben den Vorgang aus 2011 beigezogen und prüfen, ob Ermittlungen wieder aufgenommen werden.« Nach Informationen des SWR und des BR soll die Staatsanwaltschaft prüfen, ob Heckler & Koch betrogen hat und dafür Schadensersatz leisten muss.

Untersuchungskommission: Verjährung greift noch nicht

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte eine Untersuchungskommission zum Skandal-Gewehr eingesetzt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Verjährungsfrist von zehn Jahren noch nicht erreicht sein dürfte, weil erst 2014 der letzte Vertrag zur Lieferung von G36-Gewehren geschlossen wurde.

Pochen auf Schadenersatz

[Foto] Zum Video mit Informationen G36-Affäre Anzeige gegen de Maizière und Heckler & Koch

Die Bundeswehr fordert zudem Schadensersatz vom Waffenhersteller. Am 10. Juni hat das Beschaffungsamt der Bundeswehr eine Mängelrüge gegen Heckler & Koch eingelegt. Das Ministerium verlangt, dass entweder die Fehler beseitigt werden – das Gewehr also mängelfrei gemacht– oder Schadenersatz gezahlt wird. Der Waffenhersteller hat der Mängelrüge widersprochen. Wird keine Einigung erzielt, bleibt als nächster Schritt eine Klage vor Gericht.

Unterlagen, die dem Recherche-Team von BR und SWR exklusiv vorliegen, belegen, dass das Verteidigungsministerium unter de Maizière auf diese Schadensersatzansprüche wissentlich verzichtet hatte. Das soll nun anders werden. Eine spannende Entwicklung: Denn erstmals agiert das Verteidigungsministerium gegen Heckler & Koch. Bisher herrschte zwischen beiden eine gewisse enge Verbundenheit.

Konsequenzen auch im Ministerium?

Zudem stellt sich die Frage, ob die Anzeige gegen den Waffenhersteller nicht auch im Ministerium selbst Konsequenzen haben könnte. Denn nachdem weiter bestellt wurde, obwohl die Mängel bereits bekannt waren, könnte dies auch eine Anzeige gegen den Minister nach sich ziehen.

http://www.br.de/nachrichten/g36-heckler-koch-staatsanwaltschaft-100.html