Der Skandal um deutsche Waffen im mexikanischen Drogenkrieg weitet sich aus. Der Serienkiller "El Wicked", der für 200 Morde verurteilt wurde, verwendete nach SWR-Recherchen eine Pistole der deutschen Marke Sig Sauer.
[Foto] Eine Pistole des Waffenherstellers Sig Sauer
"El Wicked", ein Mitglied des berüchtigten Drogenkartells "Los Zetas", hatte gestanden, zwölf Morde mit der Pistole Sig Sauer P239 mit der Seriennummer 66589 verübt zu haben. Nach SWR-Recherche gehört dazu auch der Mord an der bekannten mexikanischen Menschenrechtsaktivistin Marisela Escobedo. Der Weltspiegel beruft sich bei seiner Berichterstattung auf Gerichtsakten zum Mord an Escobedo, die jetzt erstmals freigegeben wurden.
Die Sig Sauer GmbH & Co. KG in Eckernförde erklärte dem Weltspiegel, die Waffe sei 2002 in den USA produziert und an einen zugelassenen "Distributeur" verkauft worden. Was danach mit der Pistole geschah, entziehe sich der Kenntnis der Firma. Das Bundesausfuhramt (BAFA) teilte dem Weltspiegel mit, die Waffe sei ein Rüstungsgut. Für eine Ausfuhr aus Deutschland hätte eine Genehmigung beantragt werden müssen. Seit dem Jahr 2000 habe das Amt keine Genehmigung für den Export von Waffen dieser Baureihe nach Mexiko erteilt.
[Foto] Familie und Freunde nehmen Abschied von Marisela Escobedo (Archiv)
Der Mord an Marisela Escobedo geschah am 16. Dezember 2010 vor dem Gouverneurspalast in Chihuahua im gleichnamigen mexikanischen Bundesstaat. Er gilt als Hochburg des Drogenkartells "Los Zetas". Die Bundesregierung hatte ausdrücklich nicht genehmigt, dass Waffen nach Chihuahua gelangen.
Der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin und der Rechtsanwalt Holger Rothbauer haben bei der Staatsanwaltschaft Kiel Strafanzeige gegen Verantwortliche von Sig Sauer erstattet und beriefen sich dabei auf die Ankündigung des Berichts im Weltspiegel.
Sig Sauer schon länger im Visier der Justiz
Gegen Verantwortliche von Sig Sauer wurde aufgrund einer früheren Anzeige von Rothbauer und Grässlin bereits ein Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlich illegaler Waffenlieferungen eingeleitet. Die laufenden Ermittlungen stehen im Zusammenhang mit Lieferungen von Pistolen über die USA nach Kolumbien. Sig Sauer wird dabei eine sogenannte Umgehungsausfuhr vorgeworfen, also eine Lieferung ohne erforderliche Genehmigung für das Endverbleibland. Die Ermittlungen sind nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Kiel »noch nicht abgeschlossen".
Auf Anfrage zu dem Fall erklärte das Bundeswirtschaftsministerium: "Das BAFA hat die Bescheidung von Genehmigungen für Ausfuhren des Unternehmens SIG SAUER GmbH & Co KG aufgrund der Schwere der im Raum stehenden Vorwürfe und bis zur Klärung der Zuverlässigkeit der Ausfuhrverantwortlichen des Unternehmens bis auf weiteres ausgesetzt. Vor dem Hintergrund der gegen das Unternehmen SIG Sauer Inc. US erhobenen Vorwürfe der aktiven Beteiligung an der Umgehung von Regelungen des deutschen Ausfuhrrechts und der noch nicht abgeschlossenen Prüfung der Zuverlässigkeit der SIG Sauer GmbH & Co. KG hat das BAFA zudem mitgeteilt, dass derzeit vom BAFA keine Lieferungen von Waffen und Waffenteilen an diesen Empfänger genehmigt werden."
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte dem Weltspiegel gegenüber weiter: »Im Zusammenhang mit dem Unternehmen SIG Sauer weisen wir darauf hin, dass das BAFA die bekannt gewordenen Vorwürfe gegen die Verantwortlichen des Unternehmens SIG SAUER GmbH & Co KG im Zusammenhang mit Ausfuhren nach Kolumbien zum Anlass genommen hat, eine Überprüfung der Zuverlässigkeit der Ausfuhrverantwortlichen einzuleiten."
Ermittlungen auch gegen Heckler & Koch
Gegen das Rüstungsunternehmen Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits seit 2010 wegen Lieferungen von G36 Sturmgewehren nach Mexiko.
Der Weltspiegel läuft am Sonntag, 30. August 2015, um 19.20 Uhr im Ersten
Stand: 30.8.2015, 6.00 Uhr