Internetbericht »Spiegel-Geschichte zu Heckler- und Koch Waffenexporten
- Rechtsanwalt wirft Staatsanwaltschaft Untätigkeit vor.
Lieferte H&K G 36 Gewehre in mexikanische Krisengebiete?«
in Neue Rottweiler Zeitung (NRWZ) vom 30.08.2010, 09:02:48 Uhr



[Foto Spiegel-Artikel (Ausschnitt)]

von Martin Himmelheber

OBERNDORF, 30. August - Der Oberndorfer Waffenhersteller Heckler und Koch (H&K) soll illegal Waffen in vier mexikanische Bundesstaaten geliefert haben. Das berichtet der Spiegel in seiner Ausgabe vom 16. August. Hintergrund des Artikels ist eine Strafanzeige des Freiburger Rüstungsgegners Jürgen Grässlin und seines Tübinger Anwaltes Holger Rothbauer. H&K-Geschäftsführer Peter Beyerle kritisiert, die Vorwürfe würden zum Teil »wider besseres Wissen« erhoben.

Grässlin wirft H&K vor, modernste G-36-Gewehre auch in vier mexikanische Bundesstaaten geliefert zu haben, obwohl dies das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle im Sommer 2006 ausdrücklich verboten habe – wegen der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in den Staaten Chiapas, Chihuahua, Guerrero und Jalisco. Ein Jahr später habe H&K »eine Exportbewilligung für G36- Ersatzteile beantragt und auch die verbotenen mexikanischen Bundesstaten als `Empfänger und Lieferanschrift für die Ersatzteile`« angegeben, wie der Spiegel schreibt. Die Oberndorfer hätten dies gegenüber der Behörde als Versehen entschuldigt.

Grässlin und Rothbauer sind allerdings überzeugt, dass H&K »wissentlich, gezielt und geplant in genau jene vier mexikanischen Bundesstaaten« G36-Gewehre geliefert hat. Dafür gäbe es Zeugenaussagen und Reiseabrechnungen aus den Jahren 2006 bis 2009 bei H&K. Der Geschäftsführer von H&K, Peter Beyerle, der früher Vorsitzender Richter am Landgericht Rottweil war, nennt laut Spiegel die Vorwürfe »absurd«. Die Waffen würden an eine zentrale Stelle in Mexiko geliefert und von dort weiter verteilt. Man könne die vier Bundesstaaten gar nicht direkt beliefern. Von Reiseunterlagen, die die Anwesenheit von H&K Leuten in den vier Bundesstaaten belegen sollen, wisse er nichts.

Die Anzeige gegen Heckler und Koch liegt der Staatsanwaltschaft bereits seit mehr als drei Monaten vor. Man habe sich ruhig verhalten, so Rechtsanwalt Rothbauer auf Nachfrage der NRWZ, um die Ermittlungen nicht zu behindern. Es hätten zwar erste Zeugenvernehmungen stattgefunden und die Staatsanwaltschaft Stuttgart habe ermittelt. Man sei nun aber an die Öffentlichkeit gegangen, weil darüber hinaus nichts geschehen sei: »Man hätte erwarten müssen, dass nach so langer Vorlaufzeit eine Durchsuchung und Beschlagnahme von Unterlagen bei Heckler erfolgt«, kritisiert Rothbauer, »das ist aber nicht passiert.« Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart Stefan Biehl wollte zum Stand des laufenden Ermittlungsverfahrens keine Auskunft geben, nur: »Fakt ist, dass die Anzeige schon längere Zeit vorliegt.«

Zunächst war das Verfahren in Rottweil anhängig. Hier hatte nur ein ganz kleiner Kreis um den neuen Chef der Staatsanwaltschaft Joachim Dittrich Kenntnis von dem Fall. Ende April ist das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Stuttgart abgegeben worden. Dort würden von Spezialisten größere Wirtschaftsstrafsachen bearbeitet, die auch mit Auslandsverbindungen zu tun haben, berichtet Jürgen Rasenack von der Staatsanwaltschaft Rottweil.

H&K-Geschäftsführer Peter Beyerle reagiert überrascht, dass die Anzeige schon vor mehr als drei Monaten erstattet wurde: »Das erfahre ich von Ihnen jetzt zum ersten Mal!« Dass überhaupt gegen sein Unternehmen ein Verfahren läuft, wisse er erst seit der Anfrage des Spiegel. Von der Staatsanwaltschaft habe er »keine offizielle Mitteilung« erhalten. »Ich kenne die Vorwürfe nicht detailliert«, so Beyerle zur NRWZ.

Zu den einzelnen Vorwürfen erklärt Beyerle: die Liste mit mexikanischen Bundesstaaten, in die G 36- Zubehör, (nicht Ersatzteile) geliefert werden sollte, enthielt einen der vier »verbotenen« Bundesstaaten. Ein Fehler, den die Mexikaner begangen hätten. Als man von der Behörde darauf hingewiesen worden sei, habe man den Fehler sofort korrigiert. Dem widerspricht Anwalt Rothbauer, im H&K-Antrag für Ersatzteile seien alle vier verbotenen Bundesstaaten aufgetaucht. Beim Zollkriminalamt habe auch ein Zeuge ausgesagt: »Dieser Zeuge war in allen vier Regionen vor Ort und hat dort die Waffen gesehen.«

Beyerle bestätigt, dass ein H&K- Regionalleiter gelegentlich in Mexiko unterwegs sei, falsch sei aber, dass er »seine Berater und Vertriebsmitarbeiter zu Vorführungen und Geräteeinweisungen in die besagten Regionen geschickt«, habe, wie der Spiegel schreibt. »Ich habe noch nie Teams dorthin beordert“, so Beyerle zur NRWZ. Da werde »wider besseres Wissen« etwas behauptet, das nicht stimme. Der mexikanische Markt sei im Übrigen für sein Unternehmen »völlig unbedeutend« – Zahlen allerdings wollte Beyerle nicht nennen. Beyerle hatte seinen Urlaub wegen des Spiegel-Berichtes unterbrochen. »Dann kann sich Beyerle wohl nicht mehr an die Waffenmesse in Mexico City 2006 erinnern: sein ganzes Team war dort«, kontert Rothbauer.

Wie lange die Ermittlungen noch dauern, weiß niemand. Dass die Staatsanwaltschaft die Oberndorfer Waffenbauer nicht über die Ermittlungen informiert habe, sei ganz normal, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart Biehl: »Wenn die Anzeigenerstatter nicht an den Spiegel herangetreten wären, hätte der Beschuldigte von uns erst gehört, wenn das ganze spruchreif geworden wäre.«

http://www.nrwz.de/v5/hintergrund/00034336/

big