Internetbericht »Familienförderung bei Daimler-Chrysler.
Der Schrempp, seine Frau und das Büro«
in sueddeutsche.de vom 07.05.2007



Familienförderung bei Daimler-Chrysler

Der Schrempp, seine Frau und das Büro

Lydia Schrempp ist nicht nur die Ehefrau von Ex-Daimler-Boss Jürgen Schrempp, sondern auch noch immer seine Sekretärin. Der Autokonzern bezahle die Vorzimmerdame des Ruheständlers nach wie vor fürstlich, glauben Aktionärsschützer.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Es war schon spät auf der Hauptversammlung der Daimler-Chrysler AG am 4. April in Berlin, als Vorstandschef Dieter Zetsche seinen größten Lacher erntete. Aktionäre hatten gefragt, wie es eigentlich um die Frau seines Amtsvorgängers Jürgen Schrempp bestellt sei.

Zetsche antwortete kurz vor Ende der fast zehnstündigen Marathonsitzung in einem Moment seltener Offenheit: »Frau Schrempp arbeitet meines Wissens nach weiterhin als Büroleiterin für Jürgen Schrempp.«

Damit hatte keiner gerechnet. Die Erheiterung war entsprechend groß im weiten Rund des Internationalen Congress Centrums. Einige Aktionäre schlugen sich auf die Schenkel. Der Konzern machte seinem zweifelhaften Ruf als größtes Familienunternehmen Deutschlands wieder alle Ehre.

Gehaltsstufe E2
Lydia Schrempp, geborene Deininger, ist Jürgen Schrempps langjährige Büroleiterin. Er war es, der seine zweite Ehefrau in seiner Zeit als Vorstandschef unter großem Murren der Daimler-Belegschaft in die Gehaltsstufe E2 befördert hat, in der sie wenigstens 200.000 Euro im Jahr verdienen soll. Daimler-Chrysler hat das nie dementiert.

Jürgen Grässlin vor Schrempp Gemälde mit Dax Kurs

Eines der großen Ziele Jürgen Schrempps als Konzernchef war die Steigerung des Aktienkurses. Doch dies misslang gründlich: Der Kurs der DaimlerChrysler-Aktie fiel beständig. Das Foto zeigt Jürgen Grässlin, den Vorsitzenden des Dachverbandes Kritische Aktionäre bei DaimlerChrysler, vor einem selbst gemalten Bild Schrempps. Auf dem Gesicht Schrempps ist der fallende Kurs der Aktie zu sehen. Foto: dpa

200.000 Euro, das ist auch für die Vorstandssekretärin eines großen Dax-Unternehmens viel Geld. Zwischen 70.000 und 100.000 Euro können die Fachkräfte im Vorzimmer des Chefs maximal verdienen, sagen Branchenkenner.

Bis dato war lediglich bekannt, dass Lydia Schrempp, 43, nach dem Rücktritt ihres Mannes als Vorstandsvorsitzender im Jahr 2005 weiter im Hause Daimler-Chrysler beschäftigt sein würde. Sie werde neue Aufgaben bekommen, hieß es damals aus der Konzernzentrale. Die Stuttgarter Zeitung will damals »zuverlässig« erfahren haben, dass Schrempps zweite Ehefrau weiter in der Stuttgarter Zentrale arbeiten werde.

Einfach dageblieben
Es ist offenbar anders gekommen. Jürgen Schrempp, 62, hatte, so wird kolportiert, aus Liebe zu seiner jungen Frau das Vorstandsbüro schon bald nach der Heirat im Dezember 2000 von Stuttgart nach Bayern verlegt. Seitdem residieren er und sein Frau im zwölften Stock von Deutschlands größter Daimler-Chrysler-Niederlassung an der Arnulfstraße in München. Daran hat auch sein Rücktritt nichts geändert. Die Schrempps sind einfach dageblieben.

An sich ist das kein Problem. Es ist durchaus üblich, dass ehemaligen Vorstandsvorsitzenden großer Dax-Unternehmen nach ihrem Ausscheiden auf Lebenszeit ein Büro mit Sekretärin zur Verfügung gestellt wird. Die Frage ist nur, ob die Mitarbeiterin für diesen Job derart hochqualifiziert, derart hochbezahlt und zudem mit ihrem Chef derart verheiratet sein muss.

Jürgen Grässlin, kritischer Aktionär aus Freiburg, hat den Konzern wie kaum ein anderer unter Beobachtung. Über Jürgen Schrempp hat er eine Biographie geschrieben, die zeitweise die Handelsblatt-Bestsellerliste für Wirtschaftsbücher anführte. Er könne sich nicht vorstellen, dass Lydia Schrempp nach der Demission ihres Mannes auf Einkommen verzichten musste, sagte er sueddeutsche.de: »Das hätte Schrempp wohl zu verhindern gewusst.«

Stefanie Konnert, Fachanwältin für Arbeitrecht von der Münchner Kanzlei Keller und Menz, sagt: »Wenn es keine gütliche Einigung gibt, müsste der Arbeitgeber regelmäßig schon eine Änderungskündigung aussprechen, um ein geringeres Gehalt für die betroffene Person durchzusetzen.« Eine Änderungskündigung gegen Lydia Schrempp? Kaum anzunehmen, dass ihr Arbeitgeber so weit gehen würde.

»Welche Tätigkeiten für das viele Geld?«
»Man fragt sich als Daimler-Aktionär seit eineinhalb Jahren, welche Tätigkeiten sie seither für das viele Geld ausübt. Zufriedenstellende Antworten haben wir Aktionäre auf der Hauptversammlung nicht ansatzweise erhalten«, sagt Grässlin.

Jetzt zumindest ist klar, dass sie nicht, wie bisher angenommen, in Stuttgart arbeitet - sondern in München. Weit weg vom Vorstand. Unbestritten ist auch, dass ihr Aufgabenspektrum eher geringer geworden sein muss, seit ihr Mann, mit dem sie zwei Kinder hat, den Chefsessel verlassen hat. Hier und da einen Termin festmachen, die ein oder andere Anfrage beantworten.

Der Vorsitzende des Deutschen Institutes für Anlegerschutz (DIA) in Berlin, Volker Pietsch, glaubt nicht, dass beim gegenwärtigen Status viel mehr auf Schrempps wöchentlicher Agenda steht. Er sagte sueddeutsche.de: »Als ehemaliger Vorstandschef wird Herr Schrempp sicher nicht mehr mit den früheren offiziellen Aufgaben betraut. Wofür braucht er dann eine derart gut entlohnte Mitarbeiterin?«

Schrempps derzeitige Ämterliste kann sich durchaus sehen lassen. Er ist beratendes Mitglied der »Global Business Coalition on HIV/AIDS« (GBC) in New York, gehört dem Aufsichtsrat der staatseigenen South African Coal, Oil and Gas Corporation (Sasol) an, ist Mitglied des Investment Council von Präsident Thabo Mbeki und agiert als Aufsichtsratsmitglied der südafrikanischen Fluggesellschaft South African Airways.

Darüber hinaus sitzt Schrempp noch in den Aufsichtsräten von Vodafone und dem Schweizer Luxuskonzern Richemont; erst kürzlich verpflichtete ihn die US-Investmentbank Lehman Brothers als Berater.

Aber mit kaum einem der Ämter dürfte Ehefrau Lydia mehr zu tun haben, als Termine zu koordinieren. Ein paar Beispiele: Der Südafrika-Liebhaber - in Eastern Transvaal unterhält er eine eigene Farm - ist Honorargeneralkonsul der Republik Südafrika und zuständig für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland.

Neun Stunden pro Woche erreichbar
Das Kontaktbüro ist nicht in München, sondern von Montag bis Mittwoch jeweils drei Stunden in Stuttgart zu erreichen. Adresse: Plieninger Straße 148. Die Satellitenbilder von Google Maps zeigen: Das Büro befindet sich in einem Gebäude auf dem Gelände der Daimler-Chrysler AG.

Aufgaben wie die des Vorsitzenden der United Global Academy in Wien nimmt er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der »Südliches Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft« (Safri) wahr. Fünf Mitarbeiter arbeiten Schrempp hier zu. Die Kontaktadresse von Safri: Epplestraße 225, 70567 Stuttgart. Wieder eine Daimler-Chrysler-Adresse, zu Fuß wenige Minuten von Schrempps Konsulat entfernt.

Allzu sehr scheinen Schrempp die vielen Aufgaben nicht zu belasten. Häufig ist in der Bunten, dem Party-Fachblatt der Nation, ein Foto von Jürgen und Lydia Schrempp zu bewundern. Die beiden beim Maske-Boxkampf, auf der Party von Veronica Ferres, bei einem Treffen in Kitzbühel.

Südafrika-Charity
Die Bunte zitierte Schrempp mit Sätzen: »Seit meinem Rücktritt habe ich mit meiner Südafrika-Charity mehr zu tun als je zuvor. Ansonsten genieße ich sehr die Zeit mit meiner Familie.« Das klingt nicht nach einem Arbeitspensum, das den Einsatz der »bestbezahlten Sekretärin Deutschlands«, wie es in Branchenkreisen spöttisch heißt, rechtfertigen würde.

Experte Pietsch vom Institut für Anlegerschutz hält das für »skandalös«. Und Grässlin wettert, hier werde »offenbar eine unglaubliche Summe an Aktionärsgeldern für eine eher unzureichende Tätigkeit im Büro des früheren Vorstandsvorsitzenden verbraten«.

Von Daimler-Chrysler selbst ist, über den Auftritt von Zetsche auf der Hauptversammlung hinaus, offenbar keine weitere Aufklärung zu erwarten. Auf eine Anfrage von sueddeutsche.de mit einem Katalog von neun Fragen zum Einkommen von Lydia Schrempp und ihrer zeitlichen Beanspruchung antwortete eine Sprecherin des Unternehmens lediglich: »Wir geben keine Auskünfte über personenbezogene Daten. Wir können aber bestätigen, dass Frau Schrempp weiterhin im Konzern tätig ist. Über die Vereinbarungen mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern geben wir grundsätzlich keine Auskunft.«

Kein Interesse an Beantwortung
Jürgen Schrempp - noch mal per E-Mail direkt angesprochen - lässt über den Unternehmenssprecher ausrichten, dass auch er kein Interesse an der Beantwortung der Fragen habe.

Der Konzern scheint in diesen Dingen insgesamt sehr verschwiegen zu sein. Unergiebig waren auch Fragen an den Gesamtbetriebsrat von Daimler-Chrysler. Sprecherin Silke Ernst bemühte sich zwar einen Nachmittag lang um eine Stellungnahme zur Frage nach Lydia Schrempp - und sagte dann: »Wir kommentieren das nicht.« Für Kritiker Grässlin keine Überraschung: Die Gewerkschaftsvertreter hätten über Jahre im Aufsichtrat alles abgenickt.