Internetbericht »Deutsche Waffen in Georgien >Immenser politischer Sprengstoff<«
in Sueddeutsche Zeitung Online vom 18.08.2008




Deutsche Waffen in Georgien
»Immenser politischer Sprengstoff«

Heikle Spur: Ein Nato-Verbündeter könnte in Deutschland gefertigte Gewehre nach Georgien reexportiert haben.
Sollte sich der Verdacht erhärten, müssten weitere Waffenlieferungen eingefroren werden.

Von Varinia Bernau

Neu ist der Fall keineswegs. Und doch könnte er ein mittleres Erdbeben auslösen: Georgische Spezialeinheiten sind, so ein Bericht der ARD-Bericht, mit deutschen Waffen versorgt worden - ein klarer Verstoß gegen die Export-Grundsätze der Bundesregierung. Das Bundeswirtschaftsministerium hat nach eigener Auskunft nie eine Genehmigung für den Export dieser Waffen nach Georgien gegeben. Die Frage, wie die Waffen in den Kaukasus gelangt sind, kann nur Georgiens Präsident Saakaschwili beantworten.

Als Beleg führt der ARD-Bericht-Bericht Fotos an, die georgische Soldaten in Südossetien mit deutschen Sturmgewehren des Typs G 36 zeigen - sie stammen vom oberschwäbischen Waffenhersteller Heckler & Koch. Die Exporte solcher Waffen sind genau verzeichnet - und lassen sich, theoretisch zumindest, anhand von Beschuss- und Herstellungsnummern nachvollziehen. Jedoch: »Auf allen Fotos halten die Soldaten die Gewehre so, dass man die Gewehrnummern und den Hersteller, die auf der Rückseite eingestanzt sind, nicht erkennen kann«, sagt Jürgen Grässlin, Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros in Freiburg: »Das ist sicherlich Absicht.«

Illegale Waffenexporte sind äußerst selten

Theoretisch sei es zwar möglich, dass Heckler & Koch die Waffen illegal nach Georgien geliefert hat, doch diese Erklärung ist nach Einschätzung Grässlins »eher unwahrscheinlich«. Die Firma versuche, ihr Terrain mit legalen Exporten möglichst selbst abzustecken und habe wenig Interesse daran, »durch illegale Lieferungen noch mehr an Ansehen zu verlieren«, sagte Grässlin sueddeutsche.de. Das Unternehmen wollte sich zu dem Vorgang bislang nicht äußern.

Heckler & Koch habe das G 36 bislang vor allem an die US-Army und die britische Armee geliefert, sagt Grässlin. Der Weg der jüngst entdeckten Gewehre über die USA wäre durchaus plausibel: »Es gab immer wieder Hinweise darauf, dass die USA Georgien bei der Aufrüstung unterstützt haben.« Die USA seien seit Jahren der Hauptempfänger deutscher Waffenexporte. Es kann sich offenbar aber auch um Gewehre der spanischen Firma Empresa National Santa Barbara handeln, an die Heckler & Koch 1999 eine Lizenz erteilt hat - und die die G 36 für die spanische Armee produziert.

Geringer Wille zur Aufklärung

Roman Deckert vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit hält diese Möglichkeit für unwahrscheinlich. Die spanischen Gewehre sähen etwas anders aus als jene, die jetzt in Südossetien aufgetaucht sind. Laut den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung seien zudem an die baltischen Staaten sowie an Polen Sturmgewehre geliefert worden, sagt Deckert. Diese Staaten hatten in den vergangenen Tagen ihre Solidarität mit Georgien besonders betont.

Die Regierung gehe davon aus, so Vize-Regierungssprecher Thomas Steg, dass sich deutsche Unternehmen an die rechtlichen Bestimmungen hielten. Mit Blick auf Umwege beim Waffenexport sagte er, dem könne die Bundesregierung nicht spekulativ nachgehen.

Den Willen, den Waffenlieferungen nachzuspüren, schätzen Experten als eher gering ein - nicht zuletzt, weil sie den Bruch der Beziehungen zu Nato-Verbündeten wie USA, Großbritannien oder den baltischen Staaten mit sich brächten. Im Februar hatte die ARD-Bericht bereits berichtet, dass Heckler & Koch offenbar in Geschäfte mit der umstrittenen US-Söldnerfirma Blackwater verwickelt seien. Damals äußerte sich das Bundeswirtschaftsministerium mit dem bekannten Kommentar: Demnach habe die Bundesregierung keine Waffenlieferungen an Blackwater genehmigt.

(sueddeutsche.de/AP/dpa/jja)

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