Von Hannes Vogel
[Foto] Verteidigungsministerin von der Leyen arbeitet trotz jahrelanger Ermittlungen gegen Heckler & Koch weiter mit der Waffenschmiede zusammen.
(Foto: picture alliance / dpa)
In der G36-Affäre gibt Ursula von der Leyen »Organisationsmängel« zu. Doch die »verhängnisvolle Nähe« zu Heckler & Koch stört sie kaum - obwohl Ermittler die Waffenschmiede wegen möglicher Bestechung und illegalen Exporten im Visier haben.
Mit großem Tamtam hat Ursula von der Leyen im April das Sturmgewehr G36 ausgemustert. Die Standardwaffe der Bundeswehr aus dem Hause Heckler & Koch (H & K) trifft nicht mehr richtig, wenn sie heißgeschossen ist, räumte die Verteidigungsministerin ein. Sie versprach Aufklärung, setzte gleich mehrere Kommissionen ein, um unter anderem zu klären, warum trotz jahrelanger Hinweise auf die Präzisionsmängel niemand im Ministerium reagierte.
Heute haben die Experten ihre Berichte vorgestellt. Das Ergebnis: Soldaten im Einsatz wurden nicht gefährdet. Die Einstufung als »Pannengewehr« kann die kämpfende Truppe nicht bestätigen. »Mängel in den Organisationsstrukturen« seien für die jahrelange Tatenlosigkeit verantwortlich. Es habe ein »unglückliches Zusammenwirken« verschiedener Stellen gegeben. Nicht alle Verantwortlichen seien ihrer Verantwortung gerecht geworden. Korruption sei nicht vorgekommen. Fall abgeschlossen.
Am größten »Organisationsmangel« in dem Skandal stört sich jedoch bisher kaum jemand: die »verhängnisvolle Nähe zwischen Heckler & Koch und dem Verteidigungsministerium«, die die grüne Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger kritisiert. Die Güteprüfstelle des Bundeswehr-Beschaffungsamts befindet sich auf dem Gelände von Heckler & Koch. Laut »tagesschau.de« bescheinigt ein interner Bericht den Beamten mangelnde »professionelle Distanz«. H& K-Mitarbeiter hätten Geheiminformationen gekannt, die die Beamten nur mündlich besprochen hatten. Und trotz der G36-Ausmusterung traut sich Ursula von der Leyen nicht, von der Waffenschmiede abzurücken - obwohl diese schon jahrelang wegen möglicherweise illegaler Exporte nach Mexiko im Visier der Justiz steht.
Deutsche Gewehre im Drogenkrieg
Schon seit Frühjahr 2010 ermitteln Staatsanwälte in Stuttgart, ob Heckler & Koch illegal G36-Gewehre nach Mexiko geliefert hat. Dort tobt seit Jahren ein brutaler Drogenkrieg zwischen den Kartellen, in dem jährlich zehntausende Menschen sterben. Waffenexporte in betroffene Provinzen sind deshalb verboten. Trotzdem seien die Gewehre in mexikanischen Bundesstaaten aufgetaucht, in denen sie eigentlich nicht hätten landen dürfen, sagt Staatsanwältin Claudia Krauth zu n-tv.de. Die Ermittler prüfen, wer dafür verantwortlich ist.
Ins Rollen gebracht hatte den Skandal der Friedensaktivist Jürgen Grässlin. Ein verzweifelter Heckler & Koch-Mitarbeiter habe sich im Herbst 2009 an ihn gewandt, schreibt Grässlin auf seiner Webseite. Tausende G36-Gewehre seien in den Unruheprovinzen Chiapas, Chihuahua, Jalisco und Guerrero aufgetaucht, obwohl die Behörden Exporte dorthin ausdrücklich untersagt hätten. Bei H&K habe man bis hinauf in die Führungsebene von den Waffentransfers gewusst, behauptete der Informant laut Grässlin. H&K wollte auf aktuelle Anfrage von n-tv.de zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen.
Heimliche Spenden an Parteien
Im November 2011 durchsuchten dann hunderte Beamte die H&K-Zentrale in Oberndorf am Neckar. Denn bei den Mexiko-Geschäften des Waffenbauers war ein weiterer Verdacht aufgetaucht: Hat H&K Exportgenehmigungen gekauft? Die Ermittler werfen H&K vor, jahrelang mexikanische Beamte mit Bargeld bestochen zu haben, um an Aufträge zu kommen.
Auch in Deutschland floss Geld, womöglich um an die nötigen Genehmigungen zu kommen. »Es gibt eine Spende, die aufgrund des bisher sichergestellten Emailverkehrs in Verdacht steht, dass sie gezielt im Hinblick auf eine bestimmte Genehmigung zum Export von Waffen nach Mexiko platziert wurde«, sagt Staatsanwältin Krauth.
H&K war spendabel: Über fast zehn Jahre spendete die Waffenschmiede an CDU, FDP und SPD. Die Zuwendungen waren allerdings so gestückelt, dass sie unterhalb der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro blieben. Das ist nicht illegal, H&K muss sich aber den Vorwurf gefallen lassen, seine Einflussnahme zu verschleiern.
Neue Gewehre, alter Hersteller
5000 Euro flossen auch an den FDP-Kreisverband Tuttlingen. Dessen Ehrenvorsitzender ist Ernst Burgbacher - er war von 2009 bis 2013 parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, das über die Waffenexporte entscheidet. Einen Anfangsverdacht, dass er bestechlich gewesen wäre, gibt es laut Staatsanwaltschaft jedoch nicht. Sie ermittelt wegen des Verdachts der Bestechung ausschließlich gegen Heckler & Koch. »Ich hatte mit den Genehmigungen für Heckler & Koch nichts zu tun«, sagte Burgbacher zu n-tv.de. Das Geld sei zudem geflossen, als er noch Oppositionspolitiker gewesen sei.
SPD und Grüne fordern schon damals einen Auftragsstopp für Heckler & Koch. Das Verteidigungsministerium hält bis heute nichts davon. Im Gegenteil: Auch beim Rennen um das neue Gewehr ist die Waffenschmiede wieder dabei. »Heckler & Koch wird sich an der neuen Ausschreibung gerne beteiligen, um auch weiterhin das Standardgewehr der deutschen Soldaten herzustellen zu dürfen«, frohlockt die Firma. Bis zur Einführung der neuen Waffe hat die Verteidigungsministerin übrigens 1200 andere Gewehre als Zwischenlösung für die Auslandseinsätze bestellt. Modelle: G27P und MG4. Hersteller: Heckler & Koch.
Quelle: n-tv.de
http://mobil.n-tv.de/wirtschaft/Von-der-Leyen-haelt-zu-Heckler-Koch-article16139971.html