Von Harry Pretzlaff
Jürgen Grässlin zeigt sich siegesgewiss: »Die Indizienlage ist erdrückend«, meint der Freiburger Rüstungsgegner, der im April mit einer Strafanzeige Ermittlungen gegen den Oberndorfer Waffenhersteller Heckler & Koch angestoßen hat. Am vergangenen Dienstag hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, unterstützt von Beamten des Zolls, im Zuge dieser Ermittlungen die Unternehmenszentrale in Oberndorf durchsucht. Heckler & Koch soll, so der Verdacht, vor einigen Jahren verbotenerweise Gewehre in mexikanische Unruheprovinzen geliefert haben.
Die Staatsanwaltschaft konnte sich gestern noch nicht zum Ergebnis der Durchsuchung äußern. Eine Sprecherin der Behörde sagte allerdings, sie gehe davon aus, »dass wir fündig geworden sind«. Das Unternehmen dagegen zeigte sich in einer schriftlichen Stellungnahme davon überzeugt, »dass die Vorwürfe einer genauen juristischen Überprüfung nicht standhalten werden«.
Jürgen Grässlin, der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft ist, und in den vergangenen Jahren auch als Daimler-Kritiker immer wieder Schlagzeilen gemacht hat, glaubt einen »Rüstungsexportskandal auf allerhöchster Ebene« aufgedeckt zu haben; das Bundesausfuhramt und letztlich der Bundessicherheitsrat unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der sich mit brisanten Waffenexporten befasst, seien getäuscht worden. Mitarbeiter des Unternehmens sollen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz verletzt haben. Dafür kann es bis zu fünf Jahre Gefängnis geben.
Nach Darstellung von Grässlin hat Heckler & Koch im Sommer 2006 die Genehmigung für den Export von G36-Gewehren nach Mexiko erhalten. Diese sei allerdings an eine Bedingung geknüpft gewesen. Wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen mussten die vier mexikanischen Bundesstaaten Chiapas, Chihuahua, Guerrero und Jalisco aus dem Genehmigungsantrag gestrichen werden.
Das Unternehmen betont, stets gesetzestreu gehandelt zu haben. »Heckler & Koch hat zu keinem Zeitpunkt an irgendwelche mexikanischen Bundesstaaten geliefert«, versichert der Waffenhersteller. Vielmehr seien die Gewehre ausschließlich an die dafür gesetzlich vorgesehene mexikanische Waffeneinkaufsbehörde DCAM geliefert worden, die dem Verteidigungsministerium unterstehe.
Grässlin dagegen glaubt Beweise dafür zu haben, dass der bei dieser Behörde damals zuständige General bestochen worden sei, und die Waffen auch in die Unruheprovinzen gelangten. Grässlin stützt sich dabei auf Aussagen eines Insiders, der früher bei dem Oberndorfer Unternehmen gearbeitet habe. Danach soll dem Waffenhersteller beim Antrag auf die Ausfuhr von Ersatzteilen für das Gewehr zudem ein Fauxpas passiert sein. Durch Unachtsamkeit sollen auch die verbotenen mexikanischen Bundesländer als Empfänger angegeben worden sein. Als das Bundesausfuhramt daraufhin hellhörig geworden sei, so Grässlin, habe das Unternehmen dies als Versehen erklärt, das sich aus der ursprünglichen Anfrage für eine Exportgenehmigung ergeben habe.
Als weiteres Indiz führt Grässlin ein Dankesschreiben der Polizeibehörde für die Vorführung von Gewehren in der Unruheprovinz Jalisco an. Nach Darstellung einer Unternehmenssprecherin soll lediglich eine »Waffenpräsentation« stattgefunden haben, was erlaubt sei. Grässlin dagegen sagt, dass dort Polizisten drei Tage lang G36-Gewehre vorgeführt und dann Beschussübungen vorgenommen worden seien. »Dies geschah definitiv im November 2008, als dies eindeutig verboten war«, so Grässlin.
Als ersten Erfolg seiner Strafanzeige wertet der Rüstungsgegner, dass der für die Bereiche Recht, Exportkontrolle und Behörden zuständige Geschäftsführer Peter Beyerle im nächsten Monat aus dem Unternehmen ausscheiden wird. Beyerle ist seit Mitte 2007 bei Heckler & Koch. Zuvor war er Präsident des Landgerichts Rottweil. »Beyerles Rücktritt erscheint als logische Konsequenz des Mexiko-Deals«, meint Grässlin. Eine Sprecherin des Unternehmens weist dies zurück. Sie begründet das Ausscheiden mit der »persönlichem Lebensplanung« des 70-jährigen Managers.