Der Solbach-Freise Preis wird in diesem Jahr einem Mann verliehen, der seit vielen Jahren in der Friedensbewegung aktiv ist und insbesondere die Arbeit der ältesten deutschen Friedensorganisation prägt. Jürgen Grässlin hat während seiner Wehrdienstzeit erkannt, dass er nicht zum Soldaten taugt, weil er nicht auf Menschen schießen kann. Er hat auch erkannt, dass militärische Strukturen und militaristische Haltungen eine große Gefahr darstellen – auch in so genannten Friedenszeiten, die damals noch kalte Kriegszeiten waren. Er engagierte sich in der Partei »Die Grünen« und war dort wegen seiner konsequent pazifistischen und kompromisslos rüstungskritischen Haltung zunächst angesehen und anerkannt, später dem Mehrheitsflügel zunehmend unbequem und lästig. Man versuchte ihn abzudrängen, ihn von einflussreichen Positionen, beispielsweise einem Bundestagsmandat, fern zu halten. Was der Partei auch gelang. Doch es gelang ihr nicht, Grässlins öffentliche Wirkung einzudämmen. Im Gegenteil.
Die Wende der »Grünen« zu einer Kriegsbefürworter-Partei machte er nicht mit. Jürgen Grässlin distanzierte sich öffentlich von »grüner« Kriegspolitik und unterschrieb die Grundsatzerklärung der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen:»Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.«
Damit wurde er Mitglied der DFG-VK. Doch Jürgen Grässlin hat keinen Hang zum Karteileichen-Dasein. Mit voller Kraft stieg er in die DFG-VK-Arbeit ein und wurde 1999 zum Bundessprecher – so heißen bei uns die Bundesvorsitzenden – gewählt. Seit 10 Jahren setzt sich Jürgen Grässlin in und für diesen Verband in vielfältiger Weise sehr erfolgreich ein. An fast allen Kampagnen und Aktionen des letzten Jahrzehnts war Jürgen Grässlin maßgeblich beteiligt – oft als Ideengeber und Motivator. Er unterstützte verfolgte Kriegsdienstverweigerer, entwickelte eine Konzept zur Rüstungsausgabenreduzierung, die Kampagne »Fünf für Frieden«, er initiierte die Kampagnen»Wir kaufen keinen Mercedes«, »Rüstungsexporte stoppen!«, »Kleinwaffen stoppen!« und vertiefte die Vernetzung unseres Verbandes in der Friedens- und Menschenrechtsbewegung.
Gerade in Zeiten eines wiedererstarkenden Militarismus, erneutem Rüstungswettlaufs und von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, die inzwischen auch vom zuständigen Minister als Kriegshandlungen bezeichnet werden, brauchen wir mutige Menschen wie Jürgen Grässlin, die sich nicht einschüchtern lassen und ein Massaker »ein Massaker« nennen, die Profiteure des Todes entlarven. Wir brauchen Menschen, die mit den Mitteln der Gewaltfreiheit die direkte Konfrontation mit den Verantwortlichen suchen, sei es provokativ auf Aktionärsversammlungen mit einem T-Shirt mit der Aufschrift »Dieter Zetsche – Deutschlands größter Waffenhändler«, sei es informierend und aufklärend als Autor von Büchern und Informationsmaterialien, als Redner auf Demonstrationen, als Interviewpartner der Medien oder in Hintergrundgesprächen mit Bundestagsabgeordneten.
Wir freuen uns mit unserem Bundessprecher Jürgen Grässlin über die Preisverleihung und grüßen Stifterin und Jury, nein nicht mit einem Zitat der Friedensnobelpreisträgerin und Gründerin der Deutschen Friedengesellschaft, Bertha von Suttner, sondern mit einem Wort einer sehr mutigen, leider zu früh verstorbenen Journalistin, Franca Magnani: »Je mehr Bürger mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es einmal brauchen.«
Für den Bundesverband
Wolfgang Menzel, Bundessprecher