Von H. Sieger
STUTTGART, 12.04.2006: Auf der heutigen Hauptversammlung des Automobilkonzerns Daimler-Chrysler stehen zwar die Verwendung des Bilanzgewinnes und die Entlastung des Vorstandes im Vordergrund. Doch enormes öffentliches Interesse dürften diesmal auch einige Gegenanträge entfalten, die der Verband der Kritischen Daimler- Chrysler-Aktionäre stellen wird. Genau 13 Mal listen die Konzernkritiker um den Freiburger Rüstungsgegner und Buchautoren Jürgen Grässlin das Wort Desaster auf: Ob beim Kurzauto Smart, bei Qualitätsmängeln von Mercedes-Limousinen, einer nicht ausreichend ökologischen Modellpolitik oder dem Engagement beim Rüstungskonzern EADS. »Der Hauptverantwortliche dafür heisst Hilmar Kopper«, sagt Grässlin. Deshalb wollen ihm die Kritiker auch die rote Karte zeigen und seine Entlastung als Aufsichtsratsvorsitzender verweigern. Der Ex-Deutsche- Bank-Chef sei auch für das »verwerflichste Desaster« beim Stuttgarter Konzern verantwortlich: der Rüstungsproduktion und dem Geschäft mit Minen und Streumunition. Der Vorwurf: Die Münchner Firma EADS, an der Daimler-Chrysler zu mehr als 30 Prozent beteiligt ist, halte wiederum Beteiligungen an Unternehmen wie Bodenseegerätetechnik und TDA, die Streumunition herstellen. »Mit dieser Munition kann kein militärisches Ziel alleine angesteuert werden«, so Thomas Küchenmeister, Leiter des Aktionsbündnisses Landmine.de. Eine solche Raketensalve verschiesse bis zu 8000 Stück kleine Streumunition über eine Fläche bis zu einem Quadratkilometer. Deren Einsatz verstosse gegen das Völkerrecht. Bei militärischen Einsätzen wie beispielsweise im Kosovo würden häufig unschuldige Zivilisten Opfer dieser Munition. »Wir verlangen von Daimler-Chrysler, dass das Unternehmen sich aus diesen Geschäften mit Streumunition zurückzieht.« Grässlin, Autor des Buches »Das Daimler-Desaster«, will heute zusammen mit der Deutschen Friedensgesellschaft zunächst 40.000 Postkarten hinter die Windschutzscheiben von Mercedesfahrern klemmen und über die Waffenaktivitäten des Konzerns aufklären. EADS weist die Vorwürfe zurück: »Fakt ist, dass die EADS und an ihr beteiligte Unternehmen keine Streumunition herstellen. Richtig ist, dass Unternehmen, die zu EADS gehören, Submunitionen hergestellt haben - aber nur solche, die in voller Übereinstimmung mit allen nationalen und internationalen Rechtsnormen stehen«, so Alexander Reinhardt, Sprecher des EADS-Verteidigungsbereichs.