Thema des Tages
Ein Kaufmann wehrt sich gegen einen Strafbefehl vor dem Amtsgericht Heilbronn
Falsche Verdächtigungen im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Daimler-Chrysler-Chef Schrempp bringen einen Kaufmann vor Gericht. Er soll Informationen über Insidergeschäfte von leitenden Mitarbeitern des Konzerns an einen Journalisten weitergegeben haben. HANS GEORG FRANK HEILBRONN Die beiden Herren aus der Chefetage von Daimler-Chrysler wollten die rufmordartigen Behauptungen nicht klaglos hinnehmen. Rüdiger Grube (56), als Vorstandsmitglied für die Konzernentwicklung zuständig, und Hartmut Schick (46), Kommunikationschef und seit 1993 Leiter des Hauptsekretariats, erstatteten Strafanzeige gegen Unbekannt. Ihnen war in Medienberichten unterstellt worden, im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Rücktritt von Jürgen Schrempp am 28. Juli 2005 ihr Insiderwissen für verbotene Aktiengeschäfte missbraucht zu haben. Nach Razzien des Landeskriminalamtes (LKA) wurden zwei Tatverdächtige ermittelt, von denen die Informationen stammen sollen. Bei Jürgen Grässlin (50), Autor von 14 Büchern mit einer Gesamtauflage von mehreren 100 000 Exemplaren, klingelte die Polizei in aller Herrgottsfrühe. Im Büro des Freiburger Journalisten und Sprechers der »kritischen Aktionäre« wurden Unterlagen beschlagnahmt. Grässlin soll bei seiner Vernehmung als Tippgeber den Kaufmann Gerhard Schweinle (46) aus Neudenau bei Heilbronn genannt haben. Die Aktion des LKA sei rechtswidrig gewesen, stellte gestern eine Heilbronner Amtsrichterin fest. Als Journalist kann sich Grässlin auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Seine Aussagen und Materialien durften nicht für die Wahrheitsfindung verwendet werden. Obwohl die Staatsanwaltschaft Stuttgart das Verfahren gegen ihn einstellte, ermittelt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) noch immer gegen den profilierten Daimler-Kritiker. »Das ist ein Skandal«, schimpfte er. Schweinle sollte wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung eine Geldstrafe von 6600 EUR bezahlen, aufgeteilt in 220 Tagessätze - das entspricht üblicherweise der Schuld brutaler Schläger. Er legte Widerspruch ein, weshalb das Amtsgericht verhandelte. Schweinle war einst einer der größten Spediteure der Republik mit mehreren 100 Lastwagen und Partner von Daimler-Chrysler. In mehreren Prozessen musste er sich wegen angeblicher Graumarktgeschäfte mit Fahrzeugen aus Untertürkheim verantworten. Außer Steuerhinterziehung konnte ihm allerdings nichts nachgewiesen werden. Dass er sich möglicherweise an Grube und Schick rächen wollte, wies Schweinle weit von sich: »Die beiden waren mir vollkommen unbekannt.« Für den als gut informiert geltenden Kaufmann sind Auftritte in Gerichtssälen ein Vergnügen. Seinen Spaß erlaubte er sich allem Anschein nach auch mit dem LKA-Beamten, als er ihm erzählte, er habe die geheimen Kenntnisse über Schrempps Abgang von einem Zahnarzt. »Ich hätte auch Friseur sagen können«, scherzte Schweinle.Für Grube waren die Folgen der Veröffentlichungen wenig amüsant: »Die Ehrlichkeit ist das, womit ich mein Geschäft mache.« Auch Schick empfand die illustrierten Berichte (»Daimler-Manager im Aktiensumpf«) als belastend für die ganze Familie. Beide beteuerten, an keinen illegalen Aktienkäufen beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart stellte die Ermittlungen gegen beide ein.
Die Anklage geht davon aus, dass Schweinle sein vermeintliches Wissen gezielt an Grässlin weitergegeben hat, damit dieser »seine Informationen an die Öffentlichkeit tragen würde«. Grässlin verbreitete denn auch am 31. Juli 2005 eine Pressemitteilung unter der Überschrift »Insidergeschäfte bei Daimler-Chrysler wahrscheinlich. Persönliche Bereicherung im Schrempp-Umfeld«. Dadurch sei das von Schweinle beabsichtigte Prüfverfahren der Kapitalmarktaufsichtsbehörde und der Staatsanwaltschaft eingeleitet worden. Grässlin erklärte jedoch als Zeuge in Heilbronn, dass er auf Medienberichte reagiert habe. Gleichwohl will er bereits am 16. Juli 2005 von Schrempps geplantem Rückzug gewusst haben. Der Amtsrichterin war es gestern nicht möglich ein Urteil zu fällen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft müssen weitere Zeugen gehört werden. Dafür wurden zwei Verhandlungstage am 17. und 29. Oktober anberaumt.