Jürgen Grässlin, Freiburg
Zu Punkt 3 der Tagesordnung:
»Die Mitglieder des Vorstands werden nicht entlastet.
Begründung:
Die Verkäufe bei Mercedes-Fahrzeugen blieben im Geschäftsjahr 2005 in Deutschland weit hinter den Erwartungen zurück. Ein Grund dafür war die Tatsache, dass das Image des Unternehmens im vergangenen Jahr massiv eingebrochen ist. So fiel DaimlerChrysler in der Rangfolge deutscher Konzerne von Platz 4 auf Platz 54 zurück (Voten der Institute TNS Emnid und BIK Marplan-Intermedia im September und Oktober 2005). Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen vom Qualitäts-Desaster bis hin zum Ethik-Desaster - der unzureichenden ethischen und moralischen Verantwortung des Daimler-Vorstands.
Trotz der wiederholten Aufforderungen der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC, Arndtstraße 31, 70197 Stuttgart, Tel. 0711-608396; www.kritischeaktionaere.de und www.juergengraesslin.com) hat der Vorstand auch im Geschäftsjahr 2005 versäumt, die Anteile am europäischen Rüstungsriesen European Aeronautic Defence and Space Company (EADS N.V.) abzustoßen oder die Umstellung auf eine rein zivile Fertigung (Rüstungskonversion) in die Wege zu leiten. Dabei ist Daimler/EADS neben der Produktion von Kampfbombern, Militärhubschraubern und Trägersystemen für Atomwaffen über Beteiligungen auch in die Produktion von Streubomben, Streumunition bzw. Streumunitionswerfern involviert.
Diese Verwicklung konnte auf der internationalen Rüstungsmesse Eurosatory in Paris dokumentiert werden. Am Stand der MBDA, an der die EADS zu 37,5 Prozent beteiligt ist, wurde der Raketenwerfer Multiple Launch Rocket System (MLRS) samt Streumunition präsentiert. Derzeit wird der Raketenwerfer MLRS optimiert. Das neue, so genannte Guided MLRS-System, wird über eine gesteigerte Reichweite verfügen, soll zielgenauer treffen und über effizientere Munition verfügen. Zudem wurde auf der Eurosatory die zukünftige Massenproduktion von MLRS-Raketen angekündigt. Ein solches System kann mit einer Salve rund 8000 Bombletmunitionen auf einem Gebiet bis zu einem Quadratkilometer verteilen. Nach Ansicht der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler und des Aktionsbündnis landmine.de verstößt Streumunition gegen die Genfer Konvention, da diese wahllose Angriffe verbietet.
Auch über die 19-prozentige Beteiligung an der Diehl BGT Defence und die 50-prozentige Beteiligung an der TDA profitiert Daimler/EADS am Geschäft mit Streumunition. Diehl Bodensee-Gerätetechnik produziert den Raketenwerfer RM 70 inklusive Streumunitionsraketen für die slowakischen Streitkräfte. TDA bietet verschiedene Raketen mit Streumunition an, unter anderem für den Kampfhubschrauber Tiger.
In ihren Geschäftsberichten preist die Daimler-Beteiligungsgesellschaft EADS ihre »Verantwortung in der Gesellschaft« (Corporate Social Responsibility, CSR) und behauptet: »Unsere Produkte und Dienstleistungen für Verteidigungszwecke erhöhen die Sicherheit vieler Nationen.« Tatsache ist, dass Streumunition das Leben vieler unschuldiger Menschen bedroht, vor allem das von Kindern, Frauen und alten Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten. Denn beim Einsatz von Streumunition, wie beispielsweise auch im Kosovo geschehen, werden häufig Zivilisten getroffen.
Die Kritischen AktionärInnen fordern DaimlerChrysler auf, als größter Anteilseigner der EADS den sofortigen Stopp jeglicher Beteiligung an der Forschung, Entwicklung und Produktion von Streumunition und Streubomben bzw. deren Trägersystemen zu veranlassen. Auch das Aktionsbündnis landmine.de - dem u.a. die Organisationen Brot für die Welt, Christoffel-Blindenmission, Deutscher Caritasverband, Diakonie Katastrophenhilfe, EIRENE-International, Handicap International (Deutschland), Justicia et Pax, Kindernothilfe, medico international, Misereor, Oxfam Deutschland, Pax Christi, Solidardienst International e.V., terre des hommes und UNICEF-Deutschland angehören - fordert die EADS nachdrücklich zum Ausstieg aus der Produktion und dem Export von Streumunition auf (siehe www.landmine.de). Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hat sich auch im Geschäftsjahr 2005 geweigert, DaimlerChrysler auf die Sponsorenliste zu setzen. Als erstes Land hat Belgien im Februar 2006 Streumunition verboten, was die Diskussion in Deutschland forcieren und Daimler/EADS als Streumunitionshersteller in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion führen wird.
Derweil bekräftigte die Tagesthemen-Moderatorin Anne Will ihre Position: »Es muss verboten werden, dass Streubomben überhaupt hergestellt werden. Nur so kann man sicherstellen, dass sie nie wieder abgeworfen werden.« Laut Will müsse man sich »unbedingt einsetzen, dass sie verboten werden«. Die Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts verlangt vom Daimler-Konzern eine Abkehr von Streumunition: »Und solange er das macht, werde ich nicht bereit sein, einen Mercedes zu fahren geschweige denn einen zu kaufen.« Sie werde erst dann wieder Mercedes-Kundin, wenn der Konzern darlege, »wir hören auf mit der Produktion«. Erst dann sei sie bereit, »auch bei Mercedes wieder Kunde zu werden«.«