Managergehälter »völlig überzogen«
im Spiegel vom 10. 05. 1999




Managergehälter »völlig überzogen«

Jürgen Grässlin, Autor einer Biographie des DaimlerChrysler-Chefs Jürgen E. Schrempp und Sprecher beim Dachverband Kritischer Aktionäre, über die Spitzengehälter der Manager


SPIEGEL: Bei der Hauptversammlung von DaimlerChrysler wollen Sie dem Vorstand die Entlastung verweigern, weil die Chefs zuviel verdienen. Warum gönnen Sie den Managern das Geld nicht?

Grässlin: Schon heute ist Jürgen Schrempp mit einem Jahressalär von 5,3 Millionen Mark unter deutschen Managern Spitzenreiter. Wenn DaimlerChrysler jetzt sein flexibles Entlohnungssystem unter anderem mit Aktienoptionen neu einführt, würde sich sein Einkommen im Durchschnitt noch etwa verdreifachen. Herr Schrempp, der die Lohnerhöhungen der Metallindustrie von 3,2 Prozent als völlig überzogen bezeichnet hatte, verliert seine Glaubwürdigkeit vollends, wenn er gleichzeitig von der Belegschaft Lohnzurückhaltung fordert.

SPIEGEL: Die US-Manager bei DaimlerChrysler verdienen das vier- bis fünffache ihrer deutschen Kollegen. Muß der Konzern die Bezahlung nicht angleichen?

Grässlin: Die amerikanische Entlohnung ist völlig überzogen und führt zu unglaublichen Profiten einzelner, die teilweise über 100 Millionen Dollar im Jahr erhalten. Man sollte eher das aus allen Fugen geratene amerikanische Lohnniveau an das deutsche anpassen, schließlich handelt es sich um eine deutsche AG.

SPIEGEL: Müssen Multis ihre Manager nicht wettbewerbsfähig bezahlen, um die besten Führungskräfte zu bekommen?

Grässlin: Es wäre ein Armutszeugnis für einen Konzern. wenn er gute Führungskräfte nur dank exorbitanter Gehälter bekäme und nicht, weil er Spitzenprodukte herstellt und optimale Aufstiegschancen bietet.

SPIEGEL: Ihr Antrag wird auf der Hauptversammlung keine Mehrheit finden. Warum stellen Sie ihn dann überhaupt?

Grässlin: Wir haben in den letzten Jahren mit unseren Anträgen im Konzern und in der Öffentlichkeit breite Diskussionen über wirtschaftliche Fehlsteuerungen angeregt. Und es wird auch diesmal sicher eine Debatte über die negativen Auswirkungen des Turbo-Kapitalismus geben.

Der Spiegel 19/1999, 10.05.1999, S. 77