Allein im
letzten Jahr fanden weltweit 26 Kriege und insgesamt 200 kriegerische Auseinandersetzungen
statt. Gewalt wurde mit Gegengewalt beantwortet, Terrorismus mit Staatsterrorismus, der
seinerseits weiteren Terrorismus nach sich zog. Diese Mechanismen gewaltsamer
Konfliktaustragung sind weder neu noch überraschend, sondern bedingen einander. Sie sind
die Folge militärischen Denkens, das unweigerlich in die Eskalationsspirale führt und
bislang Abermillionen von Menschen das Leben gekostet hat.
Geändert hat sich in den letzten Jahrzehnten aber dies: Die Rüstungsindustrie hat ihre
Tötungsinstrumente derart perfektioniert, dass die Overkillkapazitäten die vielfache
Ausrottung eines jeden Lebenswesens ermöglichen. Und: In modernen Kriegen sind
überwiegend Zivilistinnen und Zivilisten die Opfer, die moderne Kriegsführung schützt
die Mörder und trifft die Wehrlosen.
Mehr als eine Milliarde Menschen leben in bitterer Armut, täglich sterben 40.000 Kinder
auf Grund falsch verteilter Lebensmittel und Medikamente. Die Industrienationen beuten die
Rohstoffe in Afrika und dem Nahen Osten aus. Dort geht heute die Saat des religiös und
ideologisch verblendeten Terrorismus auf.
Die Industriestaaten reagieren hilflos auf die dramatisch steigende Gewalt international
operierender Terroristen. Die Reaktionen reichen von massiver Hochrüstung bis hin zu
völkerrechtswidrigen Militärinterventionen und innerstaatlich von der Aushebelung der
Menschen- und Bürgerrechte hin zur Schaffung von Überwachungsregimes im
Orwellschen Sinne. All diese Wege offenbaren nur die Hilflosigkeit von Politik und
Militär und bieten in letzter Konsequenz die neuerliche Legitimation für weitere
barbarische Handlungen.
Wer dem
Terrorismus den Boden entziehen will, der muss eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
verwirklichen. Wer der Gewalt Einhalt gebieten und Frieden schaffen will, der muss
gewaltsame Konfliktaustragung präventiv vermeiden und Auseinandersetzungen mit dem
breiten Spektrum ziviler Maßnahmen lösen.
Wir stellen uns den neuen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts. Den
»Verteidigungspolitischen Richtlinien« setzen wir unsere »Friedenspolitischen
Richtlinien«, dem Militärdienst die Verweigerung und Desertion, den Kampfeinsätzen der
Bundeswehr die Zivilen Friedensdienste, den Waffenexporten die Konzepte der
Rüstungskonversion entgegen.
Wir wollen eine Kultur des Friedens ohne Militär und Waffen schaffen. Unsere Antwort auf
die Gewalt ist der positive Pazifismus - ein aktiver und mutiger, streitbarer und manchmal
provokanter Pazifismus, der die gesellschaftliche Auseinandersetzung sucht; ein
solidarischer Pazifismus, der uns zu Gunsten der Opfer militärischen Denkens Handeln
lässt; ein kritischer Pazifismus, der andere wie uns selbst hinterfragt und auch ein
fröhlicher Pazifismus, der die Alternative einer besseren Welt aufzeigt und lebt.
Ich wünsche dem FORUM PAZIFISMUS, dass es das Medium dieses positiven Pazifismus wird. Lasst uns hier die Visionen, Konzepte und Aktionen der Gewaltfreiheit publizieren und diskutieren. www.forum-pazifismus.de
Jürgen
Grässlin, Bundessprecher der DFG-VK
Forum Pazifismus, Erstausgabe, Mai 2004, S. 3